Zersplittert: Dystopie-Trilogie Band 2 (German Edition)
Gerät doch für Notfälle gegeben.
Ich fummle im Dunkeln unter meinem Levo herum, bis ich den Knopf an dem Kom finde. Bitte sei wach, Nico!
Sekunden später antwortet er alarmiert: »Ich hoffe, du hast einen guten Grund.«
»Das war dumm von dir, Rain.« Nico hievt Tori auf den Rücksitz seines Autos. »Was soll ich mit ihr machen?«
Ich gebe keine Antwort, weil ich nicht daran denken will, was er vorschlagen könnte. Ich steige vorn neben ihm ein, ziemlich erschöpft, weil ich die halb bewusstlose Tori im Dunkeln den Fußweg hinaufschleppen und ihr ständig gut zureden musste, um sie bis zur ersten Kreuzung mit einem Feldweg zu bringen, dem hastig arrangierten Treffpunkt mit Nico.
»Danke«, sage ich zu ihm und meine es mit jeder Faser meines Körpers. Ich war so erleichtert, ihn zu sehen, dass ich mich ihm am liebsten in die Arme geworfen hätte. Aber er war nicht in Kuschelstimmung.
Schnurrend nimmt der Wagen den Berg, auch wenn er nicht danach aussieht, hat er einen starken Motor. Nico hält Augen und Ohren offen, als wir auf die Hauptstraße abbiegen. Welche Erklärung könnten wir für die mittlerweile bewusstlose Tori auf dem Rücksitz haben? Wir müssten die Flucht ergreifen.
»Du riechst nach Rauch.«
»Wirklich? Wie spät ist es?«
»Fast fünf.«
»Ich muss bald daheim sein, sonst fliege ich auf. Mum ist immer früh wach.«
»So wie du riechst, kannst du nicht nach Hause.«
Nico fährt jetzt schnell. Tori wimmert und ist dann wieder still. Wir erreichen ein dunkles Haus auf einem Hügel mit einer seitlichen Auffahrt, die hinter das Gebäude führt. Nachbarn gibt es keine.
Nico legt sich Tori über die Schulter und trägt sie ins Haus. Ich folge ihm. Die Räume sind klein, modern und sauber. Nicht das übliche Free-UK-Versteck.
»Hier wohnst du also?«, frage ich überrascht.
Er funkelt mich an. »Wir hatten schließlich keine Zeit, sie irgendwo anders hinzubringen.«
Er legt Tori auf die Couch und zieht die schweren Vorhänge vor den Fenstern zu, ehe er das Licht einschaltet.
Erst jetzt sehe ich, in was für einem Zustand sie wirklich ist. Dünne, bunte Kleider hängen in Fetzen an ihr herunter, als wollte sie zu einer Party gehen, anstatt so weit durch die Kälte zu laufen. Ihre Haut ist voller Kratzer und blauer Flecken. Ein Knöchel ist geschwollen – ein Wunder, dass sie überhaupt noch gehen konnte.
Sie bewegt sich. Ihre Augenlider flattern und öffnen sich ein wenig – und dann ganz, als sie Nico entdeckt. Mit panischem Gesichtsausdruck setzt sie sich auf.
Ich nehme ihre Hand.
»Tori, alles in Ordnung. Das ist …« Und ich unterbreche mich, weil ich nicht weiß, welchen Namen er benutzen will. »Ein Freund. Er kümmert sich um dich.«
Nico kommt herüber und lächelt. »Hi, Tori. Ich bin John Hatten. Ich muss dir ein paar Fragen stellen.«
»Kann das nicht warten?«, frage ich leise.
»Ich fürchte nein. Tut mir leid, Tori. Aber du verstehst, welches Risiko ich für dich eingehe. Ich muss etwas mehr über dich wissen, um zu entscheiden, was ich mit dir machen soll.«
Mein Blut rauscht. Ein falsches Wort und seine Entscheidung könnte endgültig sein.
»Nun, Tori?«, drängt er sie sanft.
Sie sieht auf ihre Hände, dreht und wendet sie, als gehörten sie nicht zu ihr. »Ich habe ihn umgebracht«, sagt sie mit leiser Stimme. »Mit einem Messer.«
»Wen?«
»Einen Lorder. Ich habe ihn umgebracht und bin weggerannt.«
Sie schließt die Augen.
»Hier bist du in Sicherheit. Ruh dich aus, Tori«, sagt er. Sie dreht den Kopf zur Seite und ist gleich wieder eingeschlafen.
Mit hochgezogener Augenbraue sieht Nico mich an. Besser hätte sie nicht antworten können, wenn wir es vorher abgesprochen hätten. Wahrscheinlich fragt er sich jetzt gerade, ob wir das haben.
»Geh duschen. Ich kümmere mich um sie. Aber du bist mir was schuldig, Rain. Und zwar einiges. Tori ist ein unglaubliches Risiko, eine unnötige Komplikation, die unsere Pläne durchkreuzen könnte. Los, Abmarsch.«
Ich gehe ins Bad, schnappe mir ein Handtuch, ein unauffälliges schwarzes T-Shirt und Shorts, die Nico mir zuwirft. Unsere Pläne? Meint er die von Free UK, die mich irgendwie miteinschließen? Im Eiltempo wasche und trockne ich meine Haare, dabei fallen mir ein paar Dinge an Nico auf. Ich war nie zuvor bei ihm zu Hause. Anscheinend hat er ein Faible für teures Duschgel und Seife; sein Duft umgibt mich und ich kann nicht umhin, ich atme ihn tief in mich ein. Hat er einen Föhn? Seine Haare sehen immer
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