Zerteufelter Vers (German Edition)

konnte. »Erzengel sind jedenfalls eine Kleinigkeit enger an den beiden dran, denn sie bestimmen nun mal den Zeitpunkt des Todes – auf der ganzen Welt, sozusagen in allen Welten! Sie setzen ebenfalls den Zeitpunkt des Kommens. Erzengel arbeiten mit den Todesengeln zusammen. Diese schicken ja das neue Leben auf die Reise: Der Moment, wenn eine Frau schwanger wird. Erzengel koordinieren also den Zeitpunkt allen Werdens und Sterbens – überall!«
    Gloria sah ihn an. »Darf ich noch mal was fragen?« Kirt nickte und schien gespannt, in welche Richtung ihre Frage zielte. »Also, nur noch mal zum Mitkommen…« Sie musterte ihn kritisch und fuhr fort: »Es gibt Schutzengel, Todesengel, Blutengel und Erzengel.« »Genau!« Gloria ließ sich nicht unterbrechen und sprach gleich weiter: »Schutzengel sorgen dafür, dass keiner zu früh oder zu spät den Löffel abgibt, richtig?« »Ja, aber das gelingt nicht immer. In kürzester Zeit müssen sie von den Erzengeln natürlich wissen, ob ein Unfall – oder was auch immer einem Wesen widerfährt – gewollt ist oder nicht.« »Und Todesengel erscheinen einem, wenn´s quasi zu spät war.«
    Sie musste lachen, auch wenn das Thema eigentlich überhaupt nicht zum Lachen war. »Blutengel wiederum haben damit nicht wirklich etwas zu tun. Sie sind eher die Gefühlsbegleiter im Leben und helfen einem Menschen, seinen Sinn zu finden.« Kirt hakte ein: »Nicht nur den der Menschen.« »Ja, ja, schon klar.« Gloria winkte ab. Ihr ging es jetzt mal ums Wesentliche und nicht um die Details. »Und Erzengel legen fest, wann man den Löffel abgibt und wann ein Mensch geboren wird.« Kirt nickte. »So kann man das sagen… Ja.«
    Gloria überlegte kurz und ergriff von neuem das Wort. »Ich habe aber noch nicht ganz kapiert, was es mit dieser Grotte auf sich hat.« »Ach die…« Kirt zuckte mit den Schultern. »Das ist einfach nur der Ort, an dem das passiert, wo Ärzte nicht wissen, warum bei der Entstehung eines Embryos die eine Zelle für die Bildung der Knochen zuständig ist und die nächste weiß, dass sie für das Auge geschaffen wurde. Die Forscher können viele Fragen in der Medizin nicht beantworten, was das Werden eines neuen Lebens angeht. Merk´ dir einfach nur, dass es der Job der Todesengel ist. Deswegen sind sie ja so beleidigt, dass sie so heißen müssen.« Kirt klang etwas gereizt. »Sie würden sich wahrscheinlich lieber Lebensengel oder so nennen.«
    Gloria verstand, was er damit sagen wollte und sprach gleich weiter: »Also die Menschen und die ganzen anderen Wesen haben Wünsche. Sie wünschen sich den lieben, langen Tag etwas und das kommt irgendwo im Universum an, ja?« »Nein – nur die wichtigsten Herzenswünsche.« »Na gut – aber sie kommen bei dieser Grotte an, oder nicht?« »Genau. Und die Grotte besteht aus riesigen Zapfen, wie in einer unendlich weiten Tropfsteinhöhle. Nur, dass die Zapfen selbst aus Wünschen bestehen und immer größer werden, je länger Träume in den Herzen der Wesen brennen. Und davon gibt es jede Menge!« Kirt lachte.
    »Aber was ist denn, wenn es bei einem Wunsch gar nicht um ein neues Leben geht, sondern um etwas ganz anderes?« Kirt zuckte mit den Schultern. »Manche Träume werden wahr, manche nicht. Aber wenn es dein allerwichtigster Wunsch ist, dann geht er fast immer in Erfüllung!« Gloria schaute Kirt in die Augen. Es war zu dunkel, als dass sie die blaue Farbe hätte ausmachen können. Seine Stimme, seine Art zu reden, sein Geruch – alles an ihm wirkte schön und Gloria war unendlich froh, mit ihm auf diesem Bett zu liegen. Wobei dieses Möbelstück das einzig Irdische, Normale darstellte, was diesen Abend noch umgab.
    »Oft sind Herzenswünsche mit der Suche nach einem Partner oder mit einem Kind verbunden. Das ist nun mal so.« Kirt wickelte eine von Glorias Haarsträhnen um den Finger und wartete ab, bis sie wieder Fragen stellte. »Also kann ich mir das so vorstellen, dass ein Erzengel bestimmt, wann ein Todesengel den Menschen ein Kind schenken darf?« Kirt nickte. »Jetzt musst du nur noch die Kurve kriegen, was das ganze damit zu tun hat, wenn man stirbt.« Gloria dachte kurz nach.
    »Wenn man stirbt, ist man unwiderruflich tot und nur der Grundcharakter bleibt bestehen. Aber der ist ja sozusagen weltenlos, richtig?« Kirt nickte. »So könnte man es ausdrücken.« »Die einzige Möglichkeit, den Charakter in eine neue Welt zu bringen, ist die Grotte des Lebens; also dass zum Beispiel der Kern meines Charakters