Zerteufelter Vers (German Edition)
noch mehr zu erzählen, aber so ganz in der Luft wollte er sie auch nicht hängen lassen. Kirt dachte lange nach, ehe er schließlich das Wort ergriff…
»Wenn du einen Menschen so sehr liebst und ihn ganz tief in dein Herz vergräbst, dass er Bestandteil deiner eigenen Seele wird, wirst du dessen Seele nie ganz verlieren! Wenn deine Liebe zu jemanden so groß ist, dass sie ein Teil deiner eigenen Seele wird, wird sie kein Todesengel jemals ausradieren!« Er hielt inne und überdachte seine Worte sehr sorgsam…
»Hast du vielleicht mal das Gefühl gehabt, an einem Ort zu stehen, an dem du noch nie vorher gewesen warst und trotzdem dachtest, diesen Ort zu kennen? Oder du siehst etwas und dachtest: Das hab´ ich schon mal geträumt!?« Gloria blickte Kirt mit aufgerissenen Augen an, als er weitersprach: »Du denkst, du hättest es schon mal geträumt…? In Wahrheit aber hatte exakt jener Ort irgendwann einmal eine so wichtige Bedeutung für dich, dass du ihn für immer in dein Herz geschlossen hast. Und genauso wird deine Mutter stets ein Teil von dir bleiben und dich niemals gänzlich verlassen!«
Gloria besaß das Gefühl, als würde Kirt mit dem, was er sagte, Balsam auf ihre Wunde geben. Ihr Hals erschien so trocken, dass sie sich nicht traute, zu schlucken. Kirts Augen sahen sie weich an, als er erneut den Faden aufnahm: »Wenn du jemals einen Menschen oder ein anderes Wesen triffst, dessen Seele du wahrhaft in dein Herz geschlossen hattest, dann wirst du es fühlen. Dies ist sehr, sehr selten. Aber sollte es doch einmal vorkommen… wäre es wohl so, dass du einen eigentlich wildfremden Menschen kennen lernst und er dich mitten ins Herz trifft! Du denkst, du würdest diesen Mann oder diese Frau schon ewig kennen… und in Wahrheit ist es auch so!«
Gloria traten Tränen in die Augen. Sie wusste: Eigentlich hatte er ihr gar nicht so viel erzählen wollen, aber Gloria war ihm dankbar! Sie liebte ihre Mutter und was Kirt sagte, gab ihr Mut. Seine Arme schlossen sich um ihren Körper und drückten sie sanft an sich. Es war, als würde er sie beschützen – vor mehr, als dieser einen Welt. Es wirkte, als würde er immer, immer da sein und sie verstehen. Kirt gab ihr einen langen Kuss und Gloria ließ sich einfach von ihm treiben. Alles um sie herum wurde gleichgültig – wenn nur er bei ihr war.
Der heutige Tag verlief wunderschön. Sie blieben noch eine Zeit lang im Bett liegen, danach gondelten Kirt und Gloria planlos mit dem Motorrad durch das Sonnenwetter und schließlich legten sie sich an den Rhein. Die Sonne gab ihr bestes! Mittlerweile wies der Kalender auf den Juli. Der Tag verging und last but not least erlebten sie eine schöne Nacht. Dass sich Glorias Gedanken noch einmal derart um 180 Grad drehen würden, hätte auch sie nicht vermutet! Sie wirkte fröhlich und genoss es, einfach nur mit ihm zusammen sein zu können. Düsseldorf war zu ihrer persönlichen Insel geworden. – Eine bemerkenswerte Stadt mit noch unglaublicheren Erlebnissen! Mit Kirt zusammen war das Leben leicht. Doch trotz allem vergaß Gloria nicht, dass ihr Vater allein zu Hause saß und wahrscheinlich sehr traurig war.
Gloria schaute mit ernstem Blick auf den Rhein, den man aus dem Fenster seiner Wohnung sehen konnte. Kirt entging ihre miese Stimmung nicht. »Was hast du?« Gloria schaute zu ihm. »Ich denke an meinen Vater.« »Ich dachte, du willst ums Verrecken nicht, dass er weiß, wo du bist…?« Gloria schüttelte den Kopf. »Ich brauchte nur Zeit, um nachzudenken. – Solange wollte ich nicht, dass er weiß, wo ich bin.« Kirt zog ein komisches Gesicht. »Was?« Gloria musste kurz über sich selbst lachen. »Das war der Grund, weshalb ich überhaupt nach Düsseldorf gekommen bin. Ich wollte weg, raus, nachdenken, Abstand haben, in Ruhe gelassen werden.« Kirt grinste. »Soll ich dich in Ruhe lassen?«
Schon während er es sagte, kam er auf sie zu und gab ihr einen Kuss. Trotzdem schaute Gloria danach nicht glücklicher drein. »Ich kann ihn nicht hängen lassen. Den Abstand, den ich damals wollte, habe ich bekommen. Es wäre das Allerletzte, wenn ich nicht zurückkehren würde.« Gloria klang gequält und Kirt schaute sie ernst an. Immerhin besaß er eine Wohnung in Düsseldorf. Als Wochenendbeziehung wollte Gloria ihre letzten Monate nicht vergeuden! Aber sie musste einfach zurück nach Weimar. Alles andere wäre unfair und mies ihrem Vater gegenüber.
Kirt nahm Gloria in seine Arme und küsste sie auf den Hals.
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