Zieh dich aus, du alte Hippe
den Boden. Einer macht doch noch ein Foto, und zwar vom Fußboden.
Als Schneider in sein Büro kommt, bietet sich ihm ein Bild des Grauens. Der Wachtmeister, der so lange für ihn gearbeitet hat und auch immer pünktlich war und fleißig, hängt mit dem Kopf nach unten an der Lampe. In seinem Mund hat er ein abgeschnittenes Bein mit einem hellbraunen Wildlederschuh an. Er ist mit einem Abschleppseil oben festgemacht. Das Blut steht ihm ausschließlich in der nun unteren Körperhälfte, oben ist er so weiß, als ob er nie in Urlaub war.
»Der Arme. Er war noch nie in Urlaub, wie konnte das passieren?« Zum ersten Mal ist Kommissar Schneider etwas außer seiner Fassung, schnell bekriegt er sich aber wieder. »Wer kennt den Toten noch?« herausfordernd sieht er in die Runde. Achselzucken. »Gut, ich werde die Untersuchung sofort beginnen, helfen Sie mir!« Mit vereinten Kräften bergen sie den Toten. Dabei achten sie darauf, daß der Schuh im Mund bleibt, er könnte eine Spur sein.
Der Kommissar ist allein. Er sitzt gemütlich in seinem Stuhl und beäugt den Schuh mit dem abgeschnittenen Bein von allen Seiten, er dreht ihn verkehrt herum und dann wieder zurück. Mit spitzen Fingern, damit keine Fingerabdrücke dadrankommen, er trägt Handschuhe. Dann nimmt er den Hörer ab. Er wählt eine Nummer. »Hallo? Ist da die Redaktion?« Am anderen Ende verbindet jemand mehrmals. Nach einer Weile hat Schneider den richtigen Partner gefunden. »Ja, Schneider hier, Polizeipräsidium... genau, der bin ich. Also, folgendes: ich möchte, daß Sie eine Kampagne starten! Es dreht sich um die unaufgeklärten Morde, der letzte ist gerade erst passiert! Und dazu gibt es eine Spur, und zwar hier in meiner Hand halte ich einen Schuh, der nur dem Mörder gehören kann! Das Sonderbare daran ist, daß sich darin noch fast das ganze Unterbein des Täters befindet! Was sagen Sie nun? Drucken Sie bitte ein Foto von dem Schuh mit dem Bein ab, dann können Passanten den Besitzer schnell verpetzen, und wir haben einen gefährlichen Verbrecher.« Es wird beratschlagt, wo und wie das Foto gemacht wird, dann legt der Kommissar auf. Er lehnt sich gemütlich in seinen Sessel zurück. Das abgeschnittene Bein liegt auf dem Tisch, während der Kommissar versucht, den schönen Wildlederschuh anzu probieren. Er paßt wie angegossen. Als Schneider nach Hause kommt, versperrt ihm ein Lieferwagen die Einfahrt zu seiner Garage. Er steigt aus, um sich den Wagen aus der Nähe anzugucken. Es ist ein 36-Tonner mit acht Achsen, ein Sattelschlepper. Gerade steigen zwei unbekannte Männer an dem Auto hoch und wollen abfahren. Schneider ist rechtzeitig gekommen. »Halt, Sie bekommen ein Strafmandat! Haben Sie nicht das Schild gelesen? Einfahrt freihalten? Los, runter vom Bock!« Er fuchtelt mit einer 45er, die er schnell aus der Joppe gezaubert hat, dem einen der beiden vor der Nase rum. Es ist ein kräftiger Mann mit grauen Schläfen. Dazu trägt er einen Overall, wo draufsteht:
»Rirabau«.
»Wir haben eine Sondergenehmigung von Vatter Staat! Hier, der Lappen!« Ungläubig besieht sich der Kommissar den wohl echten Bescheid. »Na gut, weiter, weiter! Ich will hier rein! Und nun los, fah ren Sie! Los, los! Ab geht die Post! Schnell! Ich warte nicht mehr lange! Abfahren, habe ich gesagt! Los!« Der Kommissar ist böse. Mit Getöse donnert das Ungetüm davon. Als der Kommissar sein Haus betritt, fällt ihm ein merkwürdiges, ratschendes Geräusch auf. Er denkt sich zunächst nichts dabei. »Ursula, bist du das?!« Keine Antwort. »Ursula!! Was machst du da?!« Keine Antwort. Ursula ist wohl nicht zu Hause. Der Kommissar holt sich Get ränke aus dem Kühlschrank. Das ratschende Geräusch hat einen Mo ment aufgehört, jetzt geht es wieder los. Und es ist sehr un angenehm. Der Kommissar geht durch das ganze Haus. Das Geräusch ist immerdar. Doch, was ist es? Der Kommissar ist verzweifelt. Nun sucht er bereits schon zwei Stunden die Ur sache. Da, es klingelt. Der Kommissar macht die Tür auf. Draußen stehen ein paar Leute, anscheinend eine ganze Familie.
»Was wollen Sie?« Der Mann sagt: »Wir wollen Riesenrad fahren!« »Wie bitte?« »Riesenrad fahren!« Und nun fangen die Kinder auch an: »Rieserat far! Rieserat far! Papa!« »Entschuldigung, hier ist kein Riesenrad, was soll der Un sinn?« Schneider ist verärgert. »Oh, ich sehe gerade, wir haben uns in der Hausnummer geirrt! Entschuldigung, es ist ja ein Haus weiter! Auf Wiedersehen!« Und sie gehen zum Nachbar
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