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Ziemlich verletzlich, ziemlich stark: Wege zu einer solidarischen Gesellschaft (German Edition)

Ziemlich verletzlich, ziemlich stark: Wege zu einer solidarischen Gesellschaft (German Edition)

Titel: Ziemlich verletzlich, ziemlich stark: Wege zu einer solidarischen Gesellschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Vanier , Philippe Pozzo di Borgo , de Laurent Cherisey
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des britischen Parlaments, und Lynne Featherstone, heute Ministerin, die Gründerinnen von Campaign for Body Confidence , ihren ersten Sieg. Zwei Werbekampagnen von L’Oreal, in denen die Schauspielerin Julia Roberts und das Model Christy Turlington für Kosmetikprodukte warben, wurden in England verboten. Die Advertising Standards Authority , zuständig für die Einhaltung von Richtlinien in der Werbung, gab der Klage der jungen Politikerin statt. Die stark retuschierten Aufnahmen der Kampagne von L’Oreal seien irreführend, weil sie Frauen eine Perfektion vorgaukelten, die in der Realität unerreichbar sei.
    Jo Swinson erklärte, sie sei fest entschlossen, ihre Aktionen fortzusetzen. Unsere visuell geprägte Medienkultur, die Bilder, die das Fernsehen, Internet, Kino und Werbung dominierten, sollten uns eine positivere Botschaft vermitteln, anstatt uns ein unerreichbares, weil unrealistisches Ideal aufzudrängen. Ihr Protest gegen die Trugbotschaften in der Werbung, so unterstreicht Swinson, sei nur der erste Schritt eines umfassenderen Kampfes für ein anderes Menschenbild.
     
    Auch wir wollen, wie Jo Swinson, mit dem Finger auf die verlogene Gesellschaft zeigen, in der wir leben. Ständig stehen wir unter Druck, sollen enorm hohe Ansprüche erfüllen und diesen überhöhten Maßstäben bezüglich unserer Leistung, Schönheit, Jugend, Unverwundbarkeit, ja sogar Unsterblichkeit dauerhaft gerecht werden. Das führt zu permanenten Angstzuständen, denn selbst ohne Behinderung wissen wir im tiefsten Herzen, dass Verletzlichkeit unverbrüchlich zu unserem menschlichen Dasein gehört.
    Dennoch werden wir ununterbrochen mit Botschaften bombardiert, die unsere Verwundbarkeit verschleiern. Haben wir etwa Angst davor, an unsere Schwäche erinnert zu werden?
    Sollten wir uns nicht dringend die fundamentale Frage nach dem Sinn des Lebens stellen?
    Menschen mit Behinderung stellt sie sich grundsätzlich, und das manchmal auf extrem schonungslose, brutale Weise. Wer mit achtzehn Jahren einen schweren Verkehrsunfall erleidet, dank der medizinischen Fortschritte vor dem Tod gerettet wird und dann gelähmt aufwacht, ohne jede Aussicht auf eine berufliche Laufbahn oder ein erfülltes Liebesleben, der wird diese Frage mit aller Kraft herausbrüllen.
    Warum habt ihr mir das Leben gerettet? Wofür? Was soll ich damit anfangen?
    Die Frage nach dem Sinn des Lebens tut weh, und man stellt sie sich unweigerlich, wenn man verletzlichen Menschen begegnet. Sie führen uns vor Augen, wie es auch jedem von uns eines Tages ergehen könnte.
    Wir kommen jedenfalls nicht umhin, uns diese Frage zu stellen.
    Oder wollen wir etwa allen, die in irgendeiner Weise geschwächt wurden, sei es durch ihr Alter, eine körperliche Behinderung, Arbeitslosigkeit oder eine von vielen weiteren Beeinträchtigungen, das Recht absprechen, ein menschenwürdiges, erfülltes Leben zu führen? Würde man dann nicht dem Leben eines jeden, der sich aus dem Bannkreis des Erfolgs entfernt, ein Ende setzen müssen?
    Doch Vorsicht! Wann genau dürfte denn dann ein verwundbarer Mensch nicht mehr weiterleben? Wo würde man die Grenze ziehen?
    Wenn wir die fundamentale Frage nach dem Sinn des Lebens nicht zu beantworten wagen, wenn wir die Verletzlichkeit nicht als das ureigene Merkmal unseres Daseins anerkennen, riskieren wir, erneut auf die finstersten Seiten der Menschheitsgeschichte zuzusteuern und diejenigen auszusondern, die unseren Erfolgskriterien nicht entsprechen.
     
    Eine neue Ära der Geschichte unseres Planeten ist angebrochen. Die Älteren unter uns wissen, wie unglaublich groß der technische Fortschritt ist, den die Jüngeren als ganz normal betrachten. Gentechnik und medizinische Entwicklung haben unsere Sicht auf den menschlichen Körper grundlegend verändert. Andererseits gibt es immer noch Kriege, Umweltkatastrophen, Krisen. Auch Erschöpfung, Depressionen und Vereinsamung stehen in unserer Gesellschaft auf der Tagesordnung.
    Als ersten Schritt auf dem Weg in eine humanere Gesellschaft sollte man sich vor Augen führen, dass die von einer Behinderung geschwächten Menschen eine heilsame Rolle als Wächter erfüllen.
    Früher machten Männer im Dienst der Gemeinschaft nachts in den Ortschaften die Runde, um über Wohl und Sicherheit der Bewohner zu wachen und bei drohender Gefahr Alarm zu schlagen. In der heutigen orientierungslosen Zeit können unsere Wächter, die verletzlichen Menschen, uns den Weg in eine humanere Gesellschaft weisen.
    Unsere

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