Zipfelklatscher
und Khakishorts hält den Hund an einer kurzen Leine und sieht aus, als wäre er der GQ vom Titelblatt gefallen, die schicke Tussi mit hohen Sandälchen, Strohhut und, ja, tatsächlich, einer kleinen Wölbung unter dem weißen Hängekleidchen, sieht so nach zierlicher Upperclass-Mieze aus, dass man sich nur denken kann: so ein schönes Paar. Und mit Hund und Braten in der Röhre das perfekte Familienglück in spe. Um nicht länger hinschauen zu müssen, drücke ich mich eng an Michi-Mike und frage ihn: »Willst du mir nicht wenigstens verraten, wohin wir fahren?«
»Auffi auf’n Berg«, sagt er, »so weit, wie’s geht.«
Der Parkplatz an der Talstation der Kampenwandbahn ist noch so leer, dass man sich kaum vorstellen kann, dass auf diesem Berg manchmal so zugeht wie zum Starkbieranstich am Nockherberg, und Michi-Mike parkt seinen Sprinter gleich gegenüber von der Kasse und den Klos. Und das nicht ohne Grund, denn gleich nach dem Aussteigen fasst er sich kurz an die Eingeweide und murmelt: »Ich muss noch kurz was erledigen.« Er reißt die Beifahrertür auf, ignoriert meine erfreut hingestreckte Hand, und schnappt sich eine zusammengerollte SportBild aus dem Handschuhfach. Ich schaue ihm nach, wie er mit zusammengekniffenem Hintern Richtung Männlein/Weiblein verschwindet, trinke große Schlucke aus meiner Wasserflasche und versuche mich zu entspannen. Alles wird gut. Der Katzlberger junior, das ist vielleicht nicht der allerbeste Schuss zwischen Horizont und Chiemsee, aber ich kenne ihn wenigstens. Gut, auch seine Macken. Und seine Zehen. Aber Michi-Mike ist, wie er ist, der verstellt sich nicht, und der wird immer so bleiben. Und er wird auch immer zu mir halten. Ich bin nicht mehr allein, und ich werde in Zukunft die vermögende Familie Katzlberger im Hintergrund haben, und nicht mehr nur einen zunehmend verwirrten Vater ohne Altersvorsorge. Der übrigens beschlossen hat, trotz Todessporen bei uns im Haus wohnen zu bleiben und nicht ans Telefon ging, als ich ihn heute Morgen anrufen wollte, um zu fragen, ob alles in Ordnung ist. Ob er sogar den Geburtstag seiner Zwillingstöchter vergessen hat?
Ich versuche im Radio so was wie ordentliche Musik zu finden, weil im Moment alle Welt auf traurige Songs mit klagenden Frauenstimmen zu stehen scheint, die mir direkt unter die Hornhaut fahren, die ich in den letzten Tagen über meinen Liebeskummer habe wachsen lassen. Während ich überlege, ob die leidende Sängerin vielleicht auch von einem Schweizer betrogen worden ist, öffnet jemand die Autotür, und ich falle fast vom Sitz.
»Mann, hast du mich erschreckt!«
Nicht Michi-Mike ist von seiner Sitzung zurück, sondern Janni steht in Cowboyhut und -stiefeln neben mir, als wäre er mit dem Ponyexpress persönlich hergaloppiert. Er schaut furchtbar gehetzt und legt mir einen braunen Pappumschlag auf den Schoß.
»Gott sei Dank wusste die Emerenz, wo du sein könntest! Das hier, das ist dein Geburtstagsgeschenk von David, er hat es mir heute Morgen in die Hand gedrückt, bevor er mit der Clarissa zum Arzt ist, und ich soll dir sagen, es ist dringend!«
»David? Seit wann verstehst du dich denn mit dem so gut? Ich will mit ihm nichts mehr zu tun haben!«
»Hör zu, Kati«, sagt Janni und fährt zusammen, weil man im Hintergrund eine Tür klappen hört. »Ich weiß, ich bin nicht so wahnsinnig solid, und ich weiß, deine Schwester mag mich deshalb nimmer und sorgt dafür, dass ich das Sorgerecht nicht krieg für den Xaver. Aber du warst immer total korrekt zu mir, und das, was da vor meinen Augen passiert, das ist so eine verreckte Gschicht, da kann ich einfach nicht mehr länger so tun, als würd ich nix mitbekommen. Sei gscheit, Kati, und schau dir das sofort an! Wenn der Schweizer schon tausend Euro für so ein Gutachten zahlt!«
»Gutachten?«
»Griasdi Janni, was machst du denn hier?«, fragt auf einmal Michi-Mike und schaut Janni böse von der Seite an.
»Nix, der Kati zum Geburtstag gratulieren halt!«
Beide Männer taxieren sich kurz, und ich schaue mir den Umschlag an.
»Institut für Umweltanalyse«, steht auf dem Absenderstempel, und der Brief ist tatsächlich an »Hotel zum See, Herrn David Krug« adressiert. Was kann das sein? Der Beweis, dass am Züricher See die Luft besser ist?
»Servus, ich pack’s dann besser«, verabschiedet sich Janni und marschiert mit klackernden Boots zurück zu seinem Pick-up, und Michi-Mike schaut misstrauisch auf das Kuvert in meiner Hand. »Und was ist das für
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