Zirkus zur dreizehnten Stunde
„Ja.“
„Es ist spät“, die Stimme der Anführerin ließ Faith aufsehen. „Ihr solltet schlafen gehen.“ Mit diesen Worten drehte sie sich um, ging einige Schritte und blieb stehen. „Von mir auch alles Gute, Faith. Wir sind froh, dass du hier bist.“
„Danke“, sie erhob sich. „Ich werde das Chaos von heute wieder gutmachen. Mischka kann morgen erneut mit meiner Hilfe rechnen.“
„Helfen Barbara“, fügte Jack hinzu.
Antigone nickte zustimmend. Sie hob die Hand und verließ die beiden.
Faith drückte Jack noch einmal und bedankte sich. Es war wirklich spät, die Arbeit würde morgen nicht weniger werden, sie mussten wirklich ins Bett.
Faith stand daher auf und ging. Sie spürte noch einen Moment seinen Blick, drehte sich um und winkte ein letztes Mal, ehe sie ihren Wagen betrat.
***
Stille hüllte den Platz ein und begleitete Antigone bis in ihren privaten Raum. Ein Seufzen, dann öffnete sie die Schublade. Ein kleines Bündel lag darin. Sorgfältig eingeschlagen. Sie öffnete es vorsichtig, nachdem sie es einige Augenblicke in ihren Händen gewogen hatte. Eine Skulptur fand sich zwischen den Lagen. Es war ein kleiner Vogel, dessen Brustkorb geöffnet war. Die Innereien waren herausgezurrt und mit den Flügeln verbunden. Der Kopf gehäutet und der Schnabel stand offen, als wäre er in einem entsetzten Schrei erstarrt. Kleinere Knochen waren um den Vogelleib angebracht und stützten ihn. In der Mitte des Ganzen war das Herz, das schon lange aufgehört hatte zu schlagen.
Mit einem Seufzen streckte sie die Hand aus, auf der das tote Wesen lag. Eine Lichtkugel hüllte den Körper ein und schwebte einen Augenblick in der Luft. Mit einem leisen Klingen wurde die Kugel kleiner und verschwand schließlich. Zurück blieben allein die Dunkelheit und ein langes tonloses Stöhnen.
3. XVIII – Der Mond
Allmählich begann der Körper auszukühlen, das Leben aus ihm zu weichen. Die Atmung wurde immer sanfter und schwächer und schließlich versiegte der Lebensstrom und die Seele kroch aus dem Leib des Mannes. Unbemerkt und ohne jeglichen Widerstand. Mit einem Mal ließ sie nur noch eine Hülle zurück einen kalten, einsamen Körper, der sich der eisigen Landschaft anpasste.
Die Frau lag immer noch eng um ihn geschlungen und berührte sanft sein Haar. Ihre Finger folgten den Konturen seines Gesichtes und seines Körpers. Unendlich liebevoll strich sie ihm über die Arme bis zu den Fingern und umschloss seine kalte Hand mit der ihren.
Sie war in ihrem Traum gefangen, spürte noch seine Wärme und Zuneigung, die er ihr geschenkt hatte. Sein Verlangen hatte sie erfüllt und sie liebte es, für einen Menschen im Mittelpunkt zu stehen. Dieser Traum war endlos – hätte endlos sein sollen. Doch heute Nacht traf sie das Schicksal ihrer Rasse. Heute erfuhr sie, was es hieß, eine Füchsin zu sein. Es war ihr Traum einer ewigen Liebe, einer Liebe, die so tief ging, dass kein Wesen sie jemals erfüllen konnte.
Schnee fiel auf sie beide herab, kleidete sie in ein sanftes, weißes Gewand. Wie in einer Spirale durchlebte sie die schönen Stunden, die nicht lange zurücklagen.
Er hatte nach ihr gegriffen, sie an sich gezogen, ihr von Liebe erzählt. Ihr Herz hatte voller Stolz gebebt. Endlich hatte sie gefunden, was sie so lange gesucht hatte. Liebe – endlose, ewige Liebe. Er wollte sie nicht verlassen, stattdessen hatte er seine Familie zurückgelassen. Jede Nacht war er gekommen, seit er sie einmal auf seiner Wanderung gesehen hatte. War immer an die gleiche Stelle zurückgekehrt, nur um sie, Lillian, wiederzufinden.
Sie verzehrte sich nach seiner Aufmerksamkeit, seinen Berührungen, nach allem, was er ihr geben konnte. Er hatte schließlich alles für sie aufgegeben. Seine Frau, seine Kinder, sein gesamtes Hab und Gut. In Höhlen und Baumnischen lebten sie ihre Liebe, brauchten nicht mehr. Der Schnee schenkte ihnen Wasser, zum Essen gab es Nüsse und Beeren.
Der Mann beschwerte sich nie, war stets bei ihr, liebte ihr langes, leuchtend rotes Haar, ihre blauen Augen, ihren Körper, wie er immer wieder versicherte.
Ewig …
Es würde ewig halten. Er würde es schaffen und sie nicht wieder verlassen. Er würde bei ihr bleiben und sie immer lieben. Sie war sich so sicher gewesen.
Wie aus einem Traum wachte sie schließlich auf und schmiegte sich erneut an den Körper. Sie strich über seine Brust, griff nach seiner Hand und küsste ihn sanft auf die Wange. Einen Moment schwebte sie noch in ihrem Traum von
Weitere Kostenlose Bücher