Zirkusluft
den Islam und wie es möglich wäre, als guter Moslem in Deutschland zu leben. Mit der Zeit sind die alle ein bisschen abgedreht, glaube ich. Jedenfalls hat Bülent immer mehr von Widerstand gegen die Unterdrückung und so geredet.«
Sie nahm einen Schluck Wasser.
»Und jetzt ist er tot, und ich fühle mich schlecht, weil ich gar nicht traurig bin. Nicht richtig jedenfalls.«
»Aber heute Morgen waren Sie es doch«, widersprach Lenz.
»Vielleicht, ich weiß es nicht. Als er so dalag, in dem vielen Blut, habe ich einen Riesenschrecken gekriegt, aber eigentlich war ich nur wütend auf ihn, weil ich dachte, er hätte Hassan in seiner Scheiße liegen gelassen. Jetzt ist alles leer, und ich will nur noch zu meinem Kind.«
Lenz nickte.
»Wir sind auch gleich so weit. Ich wüsste nur gerne noch, wo Ihr Mann gestern zwischen sieben und acht Uhr morgens gewesen ist. Können Sie mir da helfen?«
Sie sah ihn unsicher an.
»Warum wollen Sie das wissen?«
»Wenn Sie mir sagen können, wo er gewesen ist, machen Sie es bitte.«
Ihr Gesicht färbte sich leicht rot, und Lenz hatte den Eindruck, seine Frage würde Wut bei ihr auslösen. Aber sie antwortete nicht.
»Frau Topuz , es hilft nichts, wenn Sie etwas wissen und es mir verheimlichen. Bitte seien Sie vernünftig und sagen Sie mir, wo er gewesen ist.«
Sie drehte den Kopf zum Fenster und sah hinaus.
»Was hat das jetzt noch für eine Bedeutung. Er ist doch tot.«
Der Kommissar ließ nicht locker.
»Wenn Sie mir etwas verheimlichen, das zur Aufklärung eines Verbrechens beitragen könnte, machen Sie sich unter Umständen strafbar. Also, bitte.«
»Soweit ich weiß, ist Fremdgehen noch nicht strafbar.«
Lenz sah sie überrascht an.
»Was meinen Sie mit Fremdgehen?«
Petra Bülents Augen verengten sich zu Schlitzen.
»Der Arsch hatte was mit einer anderen Frau. Eigentlich müsste ich wütend sein, aber es ist mir so was von egal. Vielleicht wollte er sich nur das holen, was er bei mir schon lange nicht mehr gekriegt hat.«
Lenz brauchte einen Moment, bis er verstanden hatte, was sie meinte.
»Er hatte ein Verhältnis?«
»Ob er sie schon hatte, weiß ich nicht genau, aber es könnte sein. Zumindest hat er sich gestern Morgen um 7.30 Uhr mit ihr getroffen.«
»Woher wissen Sie das?«
Wieder sah sie aus dem Fenster. Dann stand sie auf, ging auf den Polizisten zu, stellte sich mit dem Rücken an die Wand und atmete tief durch.
»Na ja, jetzt ist es sowieso egal«, begann sie. »Ich habe seit ungefähr drei Monaten einen Freund. Am Anfang ist nichts gelaufen, jedenfalls nichts, wofür ich mich schämen müsste. Aber in den letzten Wochen hat es richtig gefunkt zwischen uns. Wir sind, wenn wir uns sehen, total verliebt und reden über die Zukunft. Vor drei Tagen war er zum ersten Mal bei mir zu Hause, weil ich wusste, dass Bülent erst nachts zurückkommen würde.«
»Wo war er?«, wollte Lenz wissen.
»In Gießen. Dort ist zwei Mal im Monat eine Versammlung, zu der er immer hinfährt. Fragen Sie mich nicht, was die da machen, irgendwas Religiöses vermutlich. Auf jeden Fall war Peter bei mir. Wir haben viel über uns und die Zukunft geredet und sind dann irgendwann auch wieder in der Gegenwart gelandet, also bei Bülent und mir. Bis dahin hatten wir das Thema immer ganz elegant ausgeklammert, aber auf einmal stand das böse Wort Scheidung im Raum.«
Sie zog ein Taschentuch aus der Hose und putzte sich die Nase.
»Was haben Sie gemacht?«
»Na, wir haben geguckt, was Bülent so treibt, wenn er in seinem Büro sitzt. Peter ist Programmierer, und es hat nicht lange gedauert, bis er alles gefunden hatte.«
Lenz wartete ein paar Sekunden, doch sie sprach nicht weiter.
»Was denn?«
»E-Mails. Bülent hat vor ein paar Monaten in einem Chat eine Frau kennengelernt , und die beiden haben sich schon seit Wochen ziemlich heiße Mails geschickt. Gestern Morgen war dann das erste richtige Treffen.«
»Gestern Morgen?«, fragte der Kommissar nach.
»Ja, um 7.30 Uhr. Wenn ich es richtig verstanden habe, kommt die Frau aus Frankfurt. Die beiden haben sich im Zug getroffen, weil sie zu einem Termin nach Hannover musste.«
»Also ist er nach Frankfurt gefahren?«
»Nein«, entgegnete sie gedehnt.
» Bülent ist wohl am Bahnhof Wilhelmshöhe in den Zug gestiegen, in dem sie gesessen hat. Was danach passiert ist, weiß ich nicht und will es auch nicht wissen.«
»Ist doch jetzt sowieso egal«, setzte sie nach einer kurzen Pause hinzu.
»Und das konnten Sie alles
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