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Zitadelle des Wächters

Zitadelle des Wächters

Titel: Zitadelle des Wächters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas F. Monteleone
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Gruppenillusionen zu empfangen – genau wie jene, mit denen euch der Wächter konfrontiert hat.“
    „Aber warum ?“fragte Varian.
    „Ich glaube, der Wächter betreibt Psychoanalyse.“
    „Wie bitte? Was ist denn das?“ fragte Tessa.
    „Eine Art Selbstbeobachtung, die unter den Leuten der Ersten Zeit sehr verbreitet war. Eine ganze Menge Theorien von Philosophen und Denkern vereinigten sich darin, und es wimmelte nur so von verschiedenen Techniken. Ich glaube, der Wächter weiß, daß er einen psychischen Schaden hat, daß er wahnsinnig ist, und er versucht, sich selbst zu kurieren, sich selbst psychisch zu befreien.“
    „Ich fürchte, wir können dir da nicht folgen“, sagte Stoor, den der Redefluß offensichtlich überfordert hatte. Er war ein Mann der Tat, der schnellen Entschlüsse. Nachdem er die Macht des Kyborgs erlebt hatte, kannte er nur noch einen Wunsch: sich den Weg aus der Zitadelle freizuschießen.
    „Habt Geduld, ich versuche, alles zu erklären“, sagte Kartaphilos. „Die Illusionen, die euch begegneten, sind lediglich Aufgaben aus den Sagen der Menschheit. Das meiste von dem, was ihr mir erzählt habt, läßt sich leicht als Legenden und Sagen aus den Anfängen der Ersten Zeit wiedererkennen. Ich wundere mich sowieso, daß nicht mehr davon bis zur gegenwärtigen Zeit überlebt haben.“
    Stoor fuhr blitzartig herum und sagte: „Natürlich! Das ist es! Ich wußte, der Name war mir schon einmal begegnet …“
    „Welcher Name?“ fragte Tessa.
    „Zeus meine ich. Er galt früher als Gott oder so etwas Ähnliches. Als Schöpfer der Welt und ähnlicher Humbug. Ich habe den Namen in einigen Manuskripten und ähnlichem Zeugs entdeckt, das ich meinem Auftraggeber gebracht habe. Der Kram war schon sehr alt, ich meine wirklich alt. Aus der Zeit, als die Erste Zeit noch in ihren Kinderschuhen steckte.“
    „Das stimmt“, sagte Kartaphilos. „Die Menschen aus der Antike haben sich gerne der Kraft der Mythen bedient. Sagen waren der große Ausgleichsfaktor, um die Welt zu verstehen. Solange es keine naturwissenschaftliche Erklärung gab, solange das menschliche Wissen von Barrieren begrenzt wurde, solange blühten Mythen. Diese waren als Methode immer beliebt, wenn man etwas erklären wollte, das andernfalls unerklärlich blieb. Das ist doch verständlich, oder?“
    „Ja“, sagte Varian. „Seeleute berauschen sich immer noch an alten Erzählungen, Balladen und Shanties, die von fremdartigen Zeiten künden.“
    „So ist es“, sagte Kartaphilos. „Die Macht der Mythen ist nie vergessen worden, selbst von solchen Leuten nicht, die sich weit über solchen Dingen stehend dünken. In späteren Zeiten benutzten die Menschen Mythen, um die inneren Geheimnisse des Verstands zu erklären – als eine Metapher für die Substanz menschlicher Begierden und Ängste. Der Glaube hält sich immer noch – trotz der Absurdität einiger naturwissenschaftlicher Details in den alten Legenden –, daß in all diesen Geschichten ein Stückchen Wahrheit steckt. Wahrheiten, die Kunde von den elementaren Aspekten menschlichen Verhaltens geben. Durch eine Sage kann ein Mensch unter Umständen lernen, warum er so ist, wie er ist, und warum er das tut, was er tut.“
    „Ich glaube, mir ist jetzt einiges klarer geworden“, sagte Tessa. „Aber was hat das mit dem Wächter zu tun?“
    „Auch hier könnte ich falsch liegen, aber allem Anschein nach hat der Wächter, nachdem ihm so lange der Kontakt mit den Menschen gefehlt hat, die Fähigkeit verloren, frei mit seinen Schöpfern kommunizieren zu können. Den Grund für diese Fehlfunktion kenne ich leider nicht. Vielleicht können wir das gesamte Problem lösen, wenn wir eine Antwort darauf gefunden haben. Meiner Meinung nach hat der Wächter versucht, etwas über das menschliche Verhalten zu lernen, indem er euch in mythische Szenarios versetzt hat, indem er euch gezwungen hat, solche Entscheidungen zu treffen, wie das die Menschen der Antike schon tun mußten. Da der Wächter ausgezeichnete Kenntnisse über alle Mythen hat, ist ihm damit ein ‚Leitfaden’ an die Hand gegeben – also ein Themenkatalog menschlicher Verhaltensweisen –, und möglicherweise vergleicht er eure Reaktionen mit denen der mythischen Originalcharaktere.“
    „Das hört sich nicht schlecht an“, sagte Tessa, „aber damit ist noch immer nicht erklärt, warum der Wächter so handelt.“
    Kartaphilos konnte nur bedauernd die Schulter heben. „Das weiß ich auch nicht. Ich kann da nur

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