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Zitadelle des Wächters

Zitadelle des Wächters

Titel: Zitadelle des Wächters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas F. Monteleone
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begriffen hatten, wuchs die Hoffnung wieder in ihren Herzen. Der alte Mann in der Mönchskutte erklärte weiter, daß sein Maschinenkörper sich zwar selbst reparieren konnte, sein menschliches Gehirn sich jedoch ordentlich bemühen mußte, sich seiner selbst bewußt zu werden. Er hatte lange gegen die Amnesiebarriere angekämpft, die ihn daran hinderte festzustellen, wer und was er war. Und eigentlich hatte er erst zu dem Zeitpunkt seiner Rückkehr zur Zitadelle herausgefunden, daß er ein Kyborg war. Als er vor Jahrtausenden nach dem Sturz aufgewacht war, hatte er nur seinen Plastistahl-Körper, die blinkenden Stromkreise und seine außerordentliche physische Kraft bemerkt. Natürlicherweise hatte er sich daraufhin für eine Maschine, einen Roboter, gehalten. Aber irgendwie hatte es in seinem … ja, Verstand eine Unruhe gegeben, eine Art Sich-selbst-wahrnehmen, aber es war nie zu der Erkenntnis gekommen, daß dieser Verstand ein lebendes, organisches Gehirn bewohnte. Ein Gehirn, das in einer Metallegierung steckte, das von Pyroxenit-Kanälen und myoelektrischen Sensoren versorgt wurde. Denn es war bekannt, daß Gehirnzellen sich zwar nicht nachbilden oder reparieren konnten, andererseits aber auch nicht alterten. Solange man ein Gehirn mit Sauerstoff versorgte, würde es ewig leben. Der Triumph der Kyborg-Idee – und gleichzeitig seine Tragödie.
    Als Kartaphilos’ Gedächtnis wieder einsetzte, erinnerte er sich auch an seine Hauptaufgabe in dieser Welt: Er war eine Kampfmaschine. Wie er den vieren vorher schon berichtet hatte, gehörte er zu den Spezialkriegsmaschinen der Kampfroboterklasse VI. Als solcherart verwendeter Kyborg war er mit außerordentlicher physischer Stärke, ungeheurer Reaktionsschnelligkeit, bemerkenswerten Sinnesleistungen und einem Waffensystem ausgestattet, das außergewöhnlich effizient und tödlich arbeitete. In seinem Hals steckte die Mündung eines Hitzestrahlers, des White-Molekular-Zerstörers (benannt nach seinem Erfinder, T. White). Er wurde aktiviert, wenn der Kyborg seinen Mund öffnete und der Unterkiefer in der richtigen Position eingerastet war. Ein Gedankenbefehl, weitergetragen von myoelektrischen Stromkreisen, löste die Waffe aus und spuckte einen enggebündelten Energiestrahl von äußerster Treffsicherheit aus. Obwohl diese Waffe nur über eine begrenzte Reichweite verfügte, lag ihre Vernichtungsrate extrem hoch. Und es existierten nur wenige Materialien, die der Kraft des Strahls widerstehen konnten, ohne sich aufzulösen.
    „Der Wächter ist offensichtlich verwirrt, sonst hätte er mich nicht zurückbeordert“, sagte Kartaphilos. „Er kann sich offenbar nicht entscheiden, was er als nächstes tun soll, andernfalls hätte er uns jetzt nicht allein gelassen. Ich bin ein nicht eingeplanter Faktor in seinem Schema, wie auch immer das aussehen mag.“
    „Vielleicht können wir zusammen hinter die Pläne des Wächters kommen“, sagte Tessa. „Ich glaube, wir erzählen dir am besten, was er mit uns angestellt hat.“
    Kartaphilos nickte und bedeutete dann Varian mit einem Handzeichen, ihm von ihren Erlebnissen in der Zitadelle zu berichten. Sie erzählten ihm möglichst genau von allem und versuchten sogar, einige spezifische Aspekte ihrer Illusionen zu rekonstruieren. Als sie alles gesagt hatten, schüttelte Kartaphilos den Kopf und schmunzelte.
    „Was ist denn daran so komisch?“ fragte Stoor.
    „Oh, direkt komisch ist daran nichts … ich glaube nur, ich weiß jetzt, was der Wächter macht. Nicht uninteressant in diesem Zusammenhang.“
    „Nicht uninteressant!? Das freut mich aber wirklich, daß du so denkst!“ Stoor stampfte durch das Zimmer und regte sich immer mehr auf.
    „Und was hat das zu bedeuten?“ fragte Tessa.
    Kartaphilos rieb sich gedankenverloren das Kinn, als suche er nach der passenden Einleitung. „Ich bin mir nicht sicher, ob das alles so richtig ist, bedenkt das bitte, aber ich glaube, es ergibt einen Sinn …“
    „Wie bewirkt der Wächter die Illusionen?“ fragte Varian.
    „Ich kenne mich mit den Einzelheiten dieser Technik nicht aus, aber ich weiß wohl, daß es etwas damit zu tun hat, wie sich die Leute der Ersten Zeit unterhalten haben.“
    „Unterhaltung?“ fragte Tessa.
    „Ja. Mit halluzinatorischen Mitteln wie Chemikalien oder Gasen kann man den Verstand dazu bringen, mit den Sinnen Eindrücke so aufzunehmen, wie der Manipulator das haben will. Die Zuschauer versammelten sich gewöhnlich in großen Amphitheatern, um

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