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Zitronen im Mondschein

Zitronen im Mondschein

Titel: Zitronen im Mondschein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mayer Gina
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zündete sich ebenfalls eine Zigarette an und wartete.
    »Frau Pressmann«, meinte Gudrun. »Iris. Was hältst du von ihr?«
    Maria zögerte. Sie hatte Gudruns Geliebte zwei oder drei Male getroffen und nicht mehr als vier Sätze mit ihr gewechselt. Was hielt sie von ihr? Nichts. Iris Pressmann war reich und eingebildet, doch das war bestimmt nicht die Antwort, die Gudrun hören wollte.
    »Warum willst du das wissen?«, fragte sie zurück.
    Gudrun blies Rauchringe an die stuckverzierte Decke. Sie schien vollkommen fixiert auf den Zigarettenrauch und die Decke. Hatte sie die Frage nicht gehört? Maria fühlte sich plötzlich furchtbar müde. Wäre sie nur direkt nach Hause gegangen! Gudrun rauchte, bis die Zigarettenglut den Elfenbeinfilter erreicht hatte, dann drückte sie den Stummel aus.
    »Am Anfang war alles so leicht und einfach zwischen uns«, sagte sie schließlich. »Jetzt ist es mit einem Mal … anstrengend. Sie sagt so seltsame Dinge. Dass sie sich von ihrem Mann … ich meine, es ist doch nichts wirklich Ernstes zwischen uns beiden. Eine Liebe zwischen zwei Frauen, das ist aufregend und sehr schick, eine gewisse Zeitlang, aber man kann doch nicht … Und ihr Mann hat doch so viel Geld in meinen Salon gesteckt.«
    »Sie will ihn verlassen, deinetwegen?« Alle Achtung, dachte Maria. So viel Courage hätte sie der Pressmann gar nicht zugetraut. Eine lesbische Liebelei war eine Sache – sehr schick, wie Gudrun sagte –, aber wenn man dafür alles aufs Spiel setzte, seine Ehe, seinen Wohlstand und Ruf, das war etwas anderes. Das imponierte ihr schon fast wieder.
    »Was meinst du?«, fragte Gudrun. »Was soll ich denn tun?« Ihr Ton war anklagend, fast ein bisschen weinerlich, als habe Maria ihr die Sache eingebrockt und nicht sie selbst.
    »Beende die Affäre, wenn sie dir so wenig bedeutet. Oder hast du Angst, dass sie ihren Mann dann gegen dich aufbringt?«
    »Nein. Ich weiß nicht. Aber ich will die Sache auch nicht beenden. Es ist doch gut so, wie es ist. Warum kann es nicht so weitergehen – zumindest eine Weile lang.«
    »Ich kann dir nichts raten, so lange du selbst nicht einmal weißt, was du willst.« Maria stand auf und ging zum Fenster. Ihre Hände auf dem Fensterbrett waren so faltig und rau, obwohl sie sie jeden Abend in Olivenöl mit einem Spritzer Zitronensaft darin badete. Blaue Adern schlängelten sich über die Handrücken. Unter ihrem Daumen war ein großer brauner Punkt. Eine große Sommersprosse oder ein Altersfleck? »Nehmen wir einmal an, es gäbe Pressmann nicht, Iris wäre frei. Was würdest du dann tun?«, fragte sie laut.
    »Ich würde … ich weiß es nicht. Es gibt ihn aber. Was sollen die Spekulationen? Im Übrigen hat die Liaison zwischen zwei Frauen auf Dauer keine Zukunft. Man möchte vielleicht auch einmal Familie.«
    »Du liebst sie also nicht«, stellte Maria fest und fragte sich gleichzeitig, ob Gudrun überhaupt wusste, was das war: Liebe. Sie kannte sie nun schon so viele Jahre lang. Damals war Gudrun noch ein kleines Mädchen gewesen, zwölf Jahre alt. Sie hatten sich gleich gemocht, Gudrun und Maria, auch wenn es Mirabella nie gepasst hatte, dass sich ihre schreckliche Mutter so gut mit ihrer besten Freundin verstand. Maria mochte Gudrun, weil sie zielstrebig war und mutig und stolz. Aber vieles an ihr blieb ihr fremd. Dieser Ehrgeiz, dieser Wille zum Aufstieg, zurMacht. »Ich werde einmal reich sein«, hatte Gudrun verkündet, als sie gerade einmal vierzehn war. Geld und schöne Kleider und Ansehen, das war wichtig für sie, viel wichtiger als Freundschaft oder gar Liebe.
    In dieser Hinsicht zumindest war sie wie Mirabella, die ebenfalls nichts auf die Liebe gab. Aber während Gudrun zumindest die Vorzüge der Liebe genoss, ließ Mirabella gleich die Finger davon. Sie war bestimmt noch kein einziges Mal verliebt, dachte Maria. Ihre Anstellung als Serviermädchen, das ist ihr ganzes Leben, damit gibt sie sich zufrieden. Wenn sie nicht aufpasst, ist sie plötzlich alt, und ihr Leben ist vorbei, ohne dass sie es gelebt hat.
    »Komm, ich muss dir etwas zeigen.« Gudrun riss Maria aus ihren Gedanken.
    Im Nebenzimmer türmten sich Stoffballen in tiefen Regalen, auf dem Tisch stapelten sich Schnittmuster und Modellbücher. Zwei Schneiderpuppen standen nebeneinander an der Wand, die wohlgeformten Oberkörper über dem starren Metallfuß sehr aufrecht, wie Bedienstete, die auf einen Befehl warteten. Eine dritte Puppe trug ein grünlich schimmerndes Abendkleid, weit

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