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Zitronen im Mondschein

Zitronen im Mondschein

Titel: Zitronen im Mondschein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mayer Gina
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ausgeschnitten, lose, knielang, elegant. »Crepe Satin.« Gudrun strich behutsam über das glänzende Material. »Ich habe den Stoff eigens aus Brüssel kommen lassen.«
    »Für die Dame von eben?«
    »Für mich«, erklärte Gudrun. »Ich bin auf einem Ball eingeladen, auf einem richtigen Künstlerball im Malkasten. Iris hat das arrangiert. Sie kennt all diese Leute. Ich verdanke ihr so viel.«
    Maria legte ihre Hand auf die Taille der Kleiderpuppe. Der Stoff des Abendkleides war glatt und sehr kühl.
    »Ich will nicht auf sie verzichten«, fuhr Gudrun fort. »Und ihren Mann brauche ich ebenfalls. Maria, ich bin jetzt fast da, wo ich hinwollte, ich habe es beinahe geschafft …«
    Sie ist dir wirklich vollkommen egal, dachte Maria.
    »Ich wollte dich bitten, dass du mir einen Gefallen tust. Ich habe Iris von deinen übersinnlichen Fähigkeiten erzählt, dass du Hellseherin warst und all das, und nun ist sie ganz versessendarauf, sich die Zukunft prophezeien zu lassen. Und da dachte ich … Ich habe mir überlegt, dass du ihr etwas erzählen könntest … wie du es damals mit mir gemacht hast, um mich davon abzubringen, den Salon anzumieten. Ich meine, es war wirklich überzeugend, und es hätte auch gewiss gewirkt, wenn Mirabella mich nicht …«
    »Ich verstehe nicht«, sagte Maria tonlos, aber sie verstand nur zu gut. Gudrun wollte, dass sie die Pressmann manipulierte, dass sie ihr Angst machte, damit sie bei ihrem Mann blieb und Gudrun als ihre Geliebte behielt. Damit alles so weiterging wie bisher, jetzt wo Gudrun es beinah geschafft hatte.
    »Bitte, Maria, tu’s für mich«, sagte Gudrun.
    »Was denkst du eigentlich von mir!« Als Maria die Worte aussprach, merkte sie selbst, wie falsch und verlogen sie waren. Sie war eben doch so, sie hatte unzählige Male so getan, als könnte sie in die Zukunft blicken, auch damals bei Gudrun. Sie hatte die Menschen betrogen und damit ihr Geld verdient, es geschah ihr also recht, dass Gudrun sie jetzt für ihre Zwecke einspannen wollte.
    »Du musst es ja auch nicht tun, wenn es dir gar so widerstrebt«, meinte Gudrun hastig. »Es war nur so eine Idee, und es wäre mir eine große Hilfe.«
     
    Als sie später nach Hause ging, fragte sie sich, warum sie an diesem Punkt nicht reagiert hatte.
Ich kann es nicht tun, das musst du verstehen.
Dann wäre die Sache erledigt gewesen, ein für alle Mal. Stattdessen hatte sie eingelenkt. Sie hatte Gudrun nichts versprochen, noch nicht, aber sie hatte alles offen gelassen. Ich werde darüber nachdenken, hatte sie gesagt, und genau das würde sie jetzt tun. Sie würde darüber nachdenken. In endlosen schlaflosen Nächten würde sie das Ganze in ihrem Kopf hin- und herdrehen und von allen Seiten betrachten und zu keinem Ergebnis kommen.
    Als sie Gudrun damals prophezeit hatte, hatte sie alles falsch gemacht. Ich wollte sie vor Pressmann warnen, weil ich überzeugt war, dass der Mann ihr Verderben ist, dachte sie. MeinGott, wie blöd ich war!
Du machst einen Fehler. Er wird dich vernichten.
Irgendetwas in der Art hatte sie geschrien. Dabei hätte sie nicht Gudrun vor den Pressmanns warnen sollen, sondern im Gegenteil, die Pressmanns vor Gudrun.
    Wie ist es mit Mirabella? überlegte sie, während in den Mietskasernen links und rechts der Straße nach und nach die Lichter ausgingen, nur hier und da starrte noch ein schlafloses Fensterauge in die Dunkelheit. Ob Gudrun Mirabella genauso bedenkenlos für ihre Zwecke benutzen würde? Und mich selbst?
    Und diese Seelenruhe, die Gudrun bei allem empfand. Das war wirklich beneidenswert, nicht eine Spur von Schuldbewusstsein.
    Vielleicht war Gudrun aber auch nur deshalb so ruhig, weil sie bisher noch nichts wirklich Schlimmes begangen hatte. Im Gegensatz zu Maria.
    Man musste sie warnen. Gudrun musste sich vorsehen, dass sie in ihrer Sorglosigkeit nicht endete wie sie. Sonst quälte sie sich irgendwann genauso.
    An diesem Punkt hörte Maria auf, über Gudrun nachzudenken, und tauchte stattdessen wieder ein in ihre eigene Litanei der Schuld, von Anklage und Verteidigung, das ewige Für und Wider, das sie so oft schon durchgespielt hatte und das nie zu einem Schluss kam.
    Aber es war doch Krieg, wir hatten nichts zu essen, es ging uns so jämmerlich.
    Wie konntest du nur! Dein einziges Kind!
    Ich wollte sie schließlich wieder zu mir holen.
    Du hättest sie nie aufgeben dürfen!
    Ich konnte doch nicht ahnen, dass der Krieg so lange dauert.
    Was bist du nur für eine Mutter?
    Was bist du nur für eine

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