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Zitronen im Mondschein

Zitronen im Mondschein

Titel: Zitronen im Mondschein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mayer Gina
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geworden. Als ob er sich bei den anderen angesteckt hätte.
    Gegen elf ging Ludwig auf einen Kaffee ins Café Odeon oder ins Astoria und danach ins Cabaret Voltaire.
    Es ging ihm nicht gut, aber es ging ihm besser. Er dachte jetzt wieder öfter an Maria, die in seinen letzten Kriegsmonaten und in der Zeit danach vollkommen aus seinen Gedanken entschwunden war. Seltsamerweise waren es gerade diese Gedanken an Maria, die ihn dazu brachten, sich auf die kleine Karla einzulassen. Dabei hätte ihn doch die Erinnerung an Maria von dieser Sache abhalten sollen. Die Liebe zu ihr war so rein und gut gewesen, die Sache mit Karla war genau das Gegenteil.
    Karla war Prinzigers Tochter. Sie war noch ein Kind, siebzehn, höchstens achtzehn, sie wollte Malerin werden, deshalb himmelte sie Ludwig an. Sie kam oft in die Küche, wenn er Kartoffeln schälte, stellte sich ganz dicht neben ihn und fragte ihn nach seiner Arbeit, seiner richtigen Arbeit, wie sie es nannte – nach den Nächten im Voltaire, wo sie noch nie gewesen war, denn Zutritt gab es erst ab einundzwanzig. Karla war nicht hübsch, sie hatte eine plumpe Figur und feuchte Augen, die ein wenig hervorstanden, große, etwas schiefe Zähne, die Ludwig an Sophie Taeuber erinnerten. Vielleicht machte ihn das schwach, zumindest versuchte er es sich hinterher einzureden.
    An jenem Tag war sie schon mittags in der Küche immer um ihn herumgestrichen. Als er nach dem Schälmesser griff, berührten sich ihre Arme. Wie zufällig, aber es war kein Zufall. Er ging nicht darauf ein, sondern zog sich in seinen Keller zurück und arbeitete, bis es Zeit war, auszugehen. Morgens um drei kam er aus dem Voltaire nach Hause, da saß sie auf den Treppenstufen vor seiner Zimmertür und wartete auf ihn. Sie trug ein weißes Nachthemd mit Rüschen und einer Knopfleiste, die viel zu weit offen stand, so dass er den Ansatz ihrer großen Brüste sehen konnte. Neben ihr stand ihre Mappe, angeblich wollte sie ihm ihre Bilder zeigen.
    Er schickte sie weg, und als sie nicht ging, nahm er sie mit in sein Zimmer und zog ihr das Nachthemd aus. Er war ihr erster Mann, das wusste er schon vorher, und hinterher war es nicht zu übersehen, denn sein Bett schwamm vor Blut.
    Am nächsten Tag suchte er sich eine neue Arbeit. Er konnte in einem Gasthaus um die Ecke als Kellner anfangen, das war nicht ideal, weil er viel länger arbeiten musste, aber er bekam ein Zimmer über der Gaststätte, das war die Hauptsache. Er gab Prinziger Bescheid und packte seine Sachen. Innerhalb einer Woche war er ausgezogen.
    Karlas Augen waren jetzt noch feuchter als früher, wenn er sie im Vorübergehen sah. Ihre Schultern fielen beim Gehen nach vorn, sie ging wie eine alte Frau, und sie roch auch so, dabei war sie noch nicht einmal richtig erwachsen. Ihre Bilder bekam Ludwig nie zu sehen.
     
    Mittags machte er jetzt immer einen Spaziergang, am rechten Limmatufer hoch bis zum Bahnhof und auf der anderen Seite wieder zurück und dann über die Münsterbrücke nach Hause. Er machte es nicht wegen der Bewegung, sondern einzig und allein wegen Sophie Taeuber. Denn den halben Weg spazierten sie gemeinsam, weil Sophie mittags immer zum Schwimmen in die Frauenbadeanstalt auf der Limmat ging.
    »Mittags ist das Becken ganz leer«, erklärte sie ihm. »Die ehrbaren Frauen sind dann beim Essen, und die anderen schlafennoch.« Offensichtlich zählte sie sich weder zu der einen noch zu der anderen Sorte Frau.
    Der Gedanke faszinierte ihn, dass sie ganz allein ihre Bahnen im Schwimmbad zog. Er stellte sie sich in einem roten Badeanzug vor, auf dem Rücken treibend, das helle Gesicht umrahmt von kurzem dunklem Haar auf dunkelgrünem Limmatwasser. Zu schade, dass die Badeanstalt nur für Frauen war.
    Er holte sie jeden Morgen in ihrer Wohnung am Rosenhof ab, obwohl das für ihn einen Umweg darstellte. Manchmal stand sie schon am Fenster, wenn er kam. »Nicht klingeln, ich komme schon«, rief sie zu ihm herunter. »Jean schläft noch.«
    Ob Arp wusste, dass sie sich jeden Mittag trafen? »Sicher«, meinte sie. »Aber solche Dinge machen ihm nichts aus.« Sie lächelte ihr Schneidezahnlächeln. »Er kann sich meiner ja auch sicher sein.«
    »Und du?«, fragte sie dann. »Wen liebst du?«
    »Niemand«, sagte er. Danach erzählte er ihr die Geschichte mit der kleinen Karla Prinziger. Warum erzählte er ihr das? Um sie zu beeindrucken? Um sie abzustoßen? Er wusste es selbst nicht. Vielleicht musste es einfach heraus.
    Als er fertig war, schwieg sie

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