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Zitronen im Mondschein

Zitronen im Mondschein

Titel: Zitronen im Mondschein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mayer Gina
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es ist nicht so einfach. Jeder verändert sich. Du und Maria auch. Vielleicht würdet ihr euch heute hassen.«
    »Niemals.«
    »Die Liebe«, sagte Sophie Taeuber, »ist ein Kampf. Am Anfang kämpft man, um den anderen zu bekommen, und dann kämpft man, um ihn nicht zu verlieren. Und sich selbst auch nicht. Man kämpft gegen etwas völlig Unbekanntes, denn mit jedem Tag kann sich alles wandeln. Und wenn man aufhört zu kämpfen, hat man verloren.«
    »Aber so wie du es beschreibst, ist es ein Krieg«, sagte Ludwig.
    »Vielleicht ist es das«, meinte Sophie. »Aber anders geht es nicht.«

Zwölftes Kapitel
    I.
    Sie hatten einen Neger in der Gruppe, das war der heimliche Star. Er hieß Hilarius Gilges, aber alle nannten ihn nur Lari. Den schwarzen Lari. Obwohl er schwarz war, war er Düsseldorfer, und wenn er das Erkennungslied der Truppe anstimmte, war sein rheinischer Tonfall nicht zu überhören.
    »Jetzt tritt an: Nordwest ran!«, deklamierte er laut, zuerst mit den anderen zusammen und dann noch einmal allein, weil das Publikum ihn so gerne mochte. Dabei riss er seine Augen auf und rollte die Augäpfel herum, so dass das Weiße grell aus seinem braunen Gesicht herausstach.
    Die Leute lachten und johlten. Kürzlich hatte Mira sogar ein paar Nazis dabei beobachtet, wie sie beim Anblick des schwarzen Laris gelacht und gejohlt hatten, vor lauter Erheiterung hatten sie eine ganze Weile lang vergessen, dass sie ja gekommen waren, um Krawall zu schlagen.
    Alle fanden ihn zum Schreien komisch, den schwarzen Lari, sogar dann, wenn er gar nicht komisch sein wollte, weil er traurig war. Im Mai 1930 verliebte er sich in Katharina, ein Mädchen aus seiner Nachbarschaft, und kurz darauf war sie schwanger. »Wir müssen heiraten«, vertraute er Millie an, ausgerechnet Millie, die doch nie den Mund halten konnte.
    Eine halbe Stunde später wusste es die ganze Truppe. »Lari wird Vater.« Werner lachte. »Wenn das Kind nur nicht schwarz-weiß-kariert herauskommt.«
    »Zumindest weißt du mit Sicherheit, dass es von dir ist«, spottete Fritz.
    »Sofern sich das Mädel nicht noch mit einem anderen Neger eingelassen hat«, ergänzte Hans zur allgemeinen Belustigung.
    Millie kicherte. Mira hätte sie in ihr hübsches rundes Gesicht schlagen können. Lari verdiente sein Geld, indem er Kohlen ausfuhr, mit dem Hungerlohn konnte er keine Familie ernähren. Und dann die kommunistische Gesinnung und die Hautfarbe – man musste nicht lange darüber nachdenken, wie die Eltern seiner Geliebten reagieren würden.
    Als Mira später zu ihm ging und ihn trösten wollte, schüttelte er nur den Kopf und zuckte mit den Schultern, wie ein Pferd, das eine lästige Fliege vertreiben wollte. »Lass ihnen doch ihren Spaß«, sagte er kühl. Spott war schlimm. Mitleid war schlimmer.
    Als er seine Katharina vier Wochen später heiratete, standen sie alle vor dem Standesamt Spalier und schwenkten rote Fahnen. »Wie soll das Kind denn heißen?«, brüllte Engelbert, als sie herauskamen, Lari und seine Braut und ihre beiden Eltern.
    »Larifari«, schrie Werner, bevor Lari noch etwas erwidern konnte.
    Die Braut blinzelte erschrocken. Katharinas Eltern und Laris Mutter machten finstere Gesichter. Lari lachte und rollte mit den Augen.
     
    Sie ging kaum noch ins Kino, seit sie Agitprop machte. »Ihr seid Laien, das ist eure Stärke!«, sagte Wolfgang Langhoff, der jetzt Schauspieler und Regisseur am Düsseldorfer Schauspielhaus war und die Gruppe leitete. »Lasst es euch nicht einfallen zu schauspielern.«
    Denn die neuen Regeln hießen: Improvisation statt Perfektion, Agitation statt Erbauung, Signale und Zeichen statt Metaphorik. Der Kapitalist stopfte sich ein dickes Kissen unter die Weste, nahm eine Pfeife in den Mund und eine Peitsche in die Hand. Der Revolutionär war groß, schlank und blond, denn er wurde immer von Engelbert Frodermann gespielt.
    Anselm spielte nicht mit, obwohl er Nordwest ran mit aufgebaut hatte. Er stand nicht gerne auf der Bühne. Nur wenn musikalische Begleitung erwünscht war und Willi Stein und seine Arbeiterkappelle nicht zur Verfügung standen, setzte er sich ans Klavier.
    Er arbeitete nicht mehr als Stahlarbeiter, und auch seine Arbeit als Kinopianist hatte er aufgegeben. Es gab jetzt den Tonfilm, da brauchte man keine Klavierspieler mehr.
    Er bekam nun Geld von der Partei dafür, dass er der Partei Geld einbrachte. Er hielt Reden auf Betriebsversammlungen, bei Gewerkschaften und auf Volksfesten, er warb um neue Mitglieder, er

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