Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zitronen im Mondschein

Zitronen im Mondschein

Titel: Zitronen im Mondschein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mayer Gina
Vom Netzwerk:
erzählt. Clemens Haupt hatte es geschafft, die Opernhäuser würden sich ab sofort um ihn reißen. Und trotzdem kam er nach Düsseldorf, um mit einem namenlosen Operettenmädel einen Cocktail zu trinken?
    »Wir wollten uns die neue Vorstellung anschauen, und wen sehe ich da auf der Bühne? Eine Krankenschwester mit Kriegsbeil.«
    Natürlich, dachte Orlanda, selbstverständlich ist Haupt nicht meinetwegen gekommen. Er hatte ja gar nicht wissen können, dass sie im Operettenhaus sang. Nein, Ulrich und er hatten sie ganz zufällig auf der Bühne gesehen und wiedererkannt, und nun wollten sie sich einen lustigen Abend mit ihr machen. Danke, so nicht, meine Herren, dachte Orlanda. Ich bin zwar nicht berühmt, aber so leicht bin ich nun auch wieder nicht zu haben.
    »Also? Wie stehen unsere Aktien? Wenn Sie der Sache und uns nicht trauen, können wir natürlich auch das Fräulein Schwester mitnehmen.«
    Das Fräulein Schwester. Anna. Wie wütend sie werden würde, wenn Orlanda heute Nacht wieder nicht pünktlich zu Hause wäre. Zu allem Überfluss war Orlanda am Morgen auch nicht in der Kirche gewesen. Den Gottesdienst in der Friedenskirche hatte sie verschlafen, und in die Krankenhauskirche wollte sie nicht gehen. Anna an der Orgel, nein, das war zu viel, nach der Szene, die sie Orlanda letzte Nacht gemacht hatte. Anna behandelte Orlanda wie ein kleines Mädchen, und das würde immer so weitergehen, bis sie beide alte Jungfern wären. So nicht, dachte Orlanda wieder, aber diesmal bezog sich der Gedanke auf Anna.
    »Einen Cocktail würde ich mit Ihnen nehmen«, sagte sie.
    »Würden Sie das? Dann folgen Sie mir schnell, bevor Sie Ihre Meinung wieder ändern.«
     
    Die Bar befand sich im Kofferraum von Ulrichs Opel. Gin, Rum, Brandy, Sodawasser, Zitronensaft, einen Cocktailshaker, eine Thermosflasche mit Eis, Cocktailkirschen und grüne Oliven – sie hatten alles mitgebracht.
    »Sie wünschen?« Haupt hatte eine weiße Serviette über seinen rechten Unterarm gelegt, den linken Unterarm hielt er hinter dem Rücken verschränkt.
    »Whisky on the rocks«, sagte Orlanda, weil sie keine Whiskyflasche im Kofferraum sah und ihn in Verlegenheit bringen wollte.
    »Whisky, bitte schön.« Haupt öffnete die Tür zum Beifahrersitz und fischte eine Whiskyflasche unter dem Sitz hervor.
    Er schenkte ein Glas ein, tat Eiswürfel dazu, und Ulrich servierte. Orlanda hatte sich auf einen großen Stein gesetzt und blickte auf das schwarze Band des Rheins, das vor ihnen durch die Dunkelheit floss.
    »Cheers«, sagte Ulrich. Sein Brandyschwenker berührte ihr Whiskyglas, so zart, dass das Klirren kaum zu hören war.
    »Zum Wohl«, sagte Orlanda und nahm einen Schluck.
    Der Alkohol explodierte in ihrem Kopf. Vor der Aufführung hatte sie kaum etwas gegessen, sie war auch jetzt nicht hungrig. Aber Whisky auf leeren Magen … sei um Gottes willen vorsichtig, warnte sie eine Stimme, die klang wie die von Anna. Orlanda trank noch einen Schluck.
    »Rauchen Sie?« Ulrich streckte ihr sein Zigarettenetui entgegen, Haupt gab ihr Feuer. Er saß plötzlich neben ihr, sie hatte gar nicht gemerkt, wie er näher gekommen war. Sie inhalierte den Rauch und hatte das Gefühl, dass er sich langsam in ihrem Körper ausbreitete wie Nebel.
    Sie legte den Kopf in den Nacken. Der Himmel war ein schwarzes Meer, auf dessen Wellen Leuchtkäfer trieben. Einige schlossen sich zu Sternbildern zusammen, Orlanda erkannte den großen Wagen und den Polarstern. Andere bildeten diffuse Wirbel, Glühwürmchenstrudel. Je länger man sie betrachtete, desto mehr lief man Gefahr, dass sie einen aufsaugten und in die Tiefe zogen.
    »Wenn Sie mich nicht getroffen hätten«, sagte sie nachdenklich, »wen hätten Sie dann mit hierhergebracht? Irgendein Mädchen von der Straße?«
    »Wir sind uns selbst genug«, entgegnete Ulrich gleichmütig. »Frauen sind charmant, aber nicht zwingend notwendig.«
    »Sie dagegen sind nicht charmant«, erwiderte Orlanda.
    »Nein«, sagte Ulrich. »Das habe ich auch nie behauptet.«
    »Sie waren eine beachtliche Squaw«, mischte sich Haupt ein. »Wie Sie das Kriegsbeil geschwungen haben, Respekt.«
    Sie lachte. »Sie waren als Neger auch nicht übel.«
    Sie saßen jetzt nebeneinander auf dem großen Steinblock, so wie sie noch sehr oft zusammensitzen würden. Einer links, der andere rechts und Orlanda in der Mitte.
    Orlanda hatte ihr Glas fast ausgetrunken. Ihr leerer Magen machte sie schwerelos, der Alkohol zertrennte die Reißleine, die sie am Boden

Weitere Kostenlose Bücher