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Zitronen im Mondschein

Zitronen im Mondschein

Titel: Zitronen im Mondschein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mayer Gina
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dem Krug in die Schüssel kippte. »Für die Vorstellung seid ihr zu klein.«
    Während Sepp zu jammern begann und Anton in seine Klagen einstimmte, auch wenn er nicht so recht wusste, worum es eigentlich ging, verließ Maria die Küche. Sie brachte die Essensreste in den Stall zu den Schweinen. Ans Gatter gelehnt sah sie dabei zu, wie sich die beiden großen Säue über die Kartoffelschalen hermachten.
    Ihr Vater rumpelte drüben im Schuppen herum, sie zog sich noch ein bisschen weiter ins Dunkel des Schweinestalls zurück. Er sah es nicht gerne, wenn sie untätig herumstand. »Mach dich nützlich«, sagte er dann. »Wer essen will, soll auch arbeiten.«
    Er selbst arbeitete von morgens bis abends. Wenn die Sonne unterging, begann er zu trinken. Zuerst wurde er traurig und später wütend. Wer ihm dann in die Quere kam, fing sich Prügel ein, ganz egal, ob es der Hund oder die Katze waren, seine Kinder oder seine Frau.
    Aber noch hatte er nicht damit angefangen.
    Die Schweine hatten die Küchenreste aufgefressen, sie wälzten sich wieder zurück ins schmutzige Stroh, die eine Sau links, die andere rechts.
    Maria dachte an die Frau im Hof.
    Ich will nichts holen. Ich will etwas bringen.
Was hatte sie ihr wohl geben wollen? Vielleicht kommt sie wieder, dachte Maria, aber aus irgendeinem Grund wusste sie, dass das nicht passieren würde, dass ihr die Frau nicht mehr erscheinen würde. Jedenfalls nicht so und nicht hier. Ich muss dich suchen und finden, dachte sie. Die eine Sau schmatzte und zog die Mundwinkel nach oben, es sah aus, als lachte sie Maria aus.
    Es ist ja auch lächerlich, dachte Maria. Wo sollte ich denn anfangen?
     
    Anton war zwei, Sepp fünf, Ottilie zwölf, Edda vierzehn und Maria war achtzehn. Sie war die Älteste, sie trug die größte Verantwortung, sie übernahm die meiste Arbeit, sie bezog diemeisten Prügel. Einmal abgesehen von der Mutter, bei der man nicht wusste, wie oft sie geschlagen wurde, weil sie niemals darüber sprach. Manchmal wachte Maria nachts auf und hörte ihren Vater fluchen, seine Schläge, die unterdrückten Schreie ihrer Mutter und das Stöhnen. Dann war es wieder soweit.
    Am nächsten Morgen aber ging die Sonne wieder auf, die Mutter machte das Frühstück, der Vater trank seinen Kaffee, die Kinder aßen ihre Brote, und danach machten sie sich an ihre Arbeit wie jede andere Familie auch. Keiner von den Nachbarn wusste, was nachts bei ihnen geschah, und sie selbst hätten es auch vergessen, wenn die grünen, blauen und gelben Flecken und die schmerzenden Knochen sie nicht daran erinnert hätten.
    Heute war Freitag; um vier Uhr sollte die erste Zirkusvorstellung beginnen. Vier Uhr war gut, dachte Maria, denn länger als eine Stunde würde die Vorführung nicht dauern, und danach war noch genug Zeit, die Kühe von der Weide zu holen und zu melken, den Stall zu misten und die Schweine zu füttern. Ottilie und Edda gingen schon um zwei Uhr los, sie nahmen die beiden Kleinen mit, damit sie die Tiere sehen konnten. Maria kam eine Stunde später nach, sie lief den Pfad zur Bühler hinunter und über die kleine Brücke und auf der anderen Seite wieder hoch. Sie beeilte sich, weil sie auch noch einen Blick in die Käfige werfen wollte, auch wenn sie eigentlich zu alt für so etwas war. Sie roch den Zirkus, bevor sie ihn sah. Dieser beißende Gestank nach Wildnis, diese Mischung aus Tierangst, Menschenschweiß und Urin.
    Sie kaufte sich zwei Karten, eine für die Vorstellung und eine für die Menagerie. Der Tanzbär mit dem Ring in der Nase, den die Zigeuner beim letzten Mal noch mitgebracht hatten, war nicht mehr dabei. Wahrscheinlich war er gestorben. Stattdessen hatten sie nun eine große Schlange, dick wie ein Arm, die zusammengerollt in einem der vergitterten Wagen lag. Ihre braun-gelben Schuppen wirkten trocken und staubig. Im Wagen daneben beschäftigte sich eine Wildkatze damit, sich selbst das Fell auszureißen. Ihre Brust war schon ganz kahl. Eine Eule schlief, ein Waschbär stank furchtbar, und ein grauer Wolf sahaus wie ein scheuer magerer Hund. Und vor den Käfigen standen die Leute aus Vellberg und den Dörfern. Sie drängten sich vor den Gitterstäben, zeigten, lachten, schrien, zogen Grimassen und führten sich weit unvernünftiger auf als die gelangweilten Tiere, die die Besucher einfach ignorierten.
    Im letzten der Wagen lag ein kleiner Schneefuchs. Er hatte den Kopf auf seine Vorderpfoten gelegt, die Augen müde und wachsam zugleich. Als Maria an das Gitter trat,

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