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Zitronen im Mondschein

Zitronen im Mondschein

Titel: Zitronen im Mondschein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mayer Gina
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die auf ihrem Schemel saß und eine Gans rupfte. »Wo sind sie denn alle?«, fragte Lene. Unter ihrem geblümten Kopftuch glänzte die Stirn vor Schweiß.
    Maria zuckte mit den Schultern. »Auf dem Feld die Männer. Und die Mutter und die Schwestern sind ins Städtle gegangen.« Sie warf eine Handvoll Federn in den Bottich zu ihren Füßen. Die weißen Daunen schaukelten langsam nach unten, die meisten landeten auf dem weichen, flaumigen Federberg, ein paar sanken neben dem Holzgefäß zu Boden. Maria sah zu, wie die Federn schlammigen Matsch, der die alten Pflastersteine bedeckte, langsam in sich aufsogen. Zarte Daunen wurden zu braunen Klumpen.
    »Die Wäsche muss von der Leine«, sagte Lene noch einmal, diesmal allerdings in ruhigerem Ton. »Sonst wird sie gestohlen.«
    »Hier hoch kommt doch keiner«, meinte Maria. »Außerdem bin ich ja da und habe alles im Blick.«
    Von ihrem Platz in der Mitte des Hofes aus konnte sie die alten Bäume vor dem Waschhaus sehen und die Wäscheleine dazwischen, auf der der Wind die feuchten Laken und Handtücher blähte.
    Lene stemmte ihre Fäuste in die Hüften und reckte das Kinn nach vorn, unter dem noch zwei weitere hingen. »Aber du bist allein. Was willst du denn gegen die ausrichten?«
    »Es sind doch friedliche Leute, die noch keinem etwas zu Leide getan haben. Abgesehen von den paar Unterhosen und Unterröcken, die sie dann und wann mitgehen lassen.«
    »Ja, das redest du, weil du unvernünftig bist und jung und keine Ahnung hast.« Lene keuchte jetzt wieder vor Aufregung. »In Thalheim ist aber ein kleines Mädchen verschwunden, als sie das letzte Mal in der Gegend waren. Man hat nie mehr wieder etwas von ihr gehört. Erst fünf war sie, die arme Seele, Gott sei ihr gnädig.« Die alte Frau bekreuzigte sich schnell und atemlos. »Und du hier mit deinen kleinen Brüdern, wenn sie euch nun packen und wegzerren …«
    »… dann lassen wir uns das nicht gefallen!«, unterbrach der kleine Sepp die Nachbarin. Er sprang auf und reckte seine winzige schmutzige Faust in die Höhe und nach kurzem Zögern erhob sich auch der zweijährige Anton und ballte seine Hände ebenfalls zu Fäusten.
    »Siehst du?« Maria lachte. »Um uns brauchst du dir keine Sorgen zu machen, Lene.«
    Die Alte schnaubte unwillig, was ihr Doppelkinn ins Schaukeln brachte. »Wirst schon sehen, was du davon hast. Wirst es schon sehen, Maria.«
    Dann drehte sie sich um und eilte vom Hof, um rechtzeitig in ihr eigenes Haus zu kommen und sich darin zu verrammeln und zu verriegeln, damit die Zigeuner am Ende nicht sie selbst entführten. Maria wandte sich wieder ihrer Gans zu.
    Die linke Seite war bereits ganz kahl. Tote, rote, grobporige Haut, in der nur der eine oder andere Daunenkiel steckte. Auf der rechten Seite dagegen saßen noch alle Federn wie ein Gestrüpp, in das Maria nun hineingriff und riss und zerrte. DerKopf des Vogels baumelte über dem daunengefüllten Bottich, stumpfe schwarze Perlaugen musterten trübsinnig die flaumige Pracht. Vorbei.
    Sie rupfte, ließ die Federn fallen und schaute abwechselnd nach der Wäsche und nach den beiden Brüdern, die sich wieder in ihr Spiel vertieft hatten. Die Musik war jetzt ganz deutlich zu hören. Die Prozession der Schausteller ging unten an der Straße entlang, an den Bauernhöfen hinter der Bühler vorbei, dann über den Bach und zum Schluss über die Felder wieder zurück zu der kleinen Stadt. Hoch zu ihrem Hof würden sie nicht kommen, er lag zu einsam. Die Zigeuner wussten ja auch, dass man hier wie überall im ganzen Umkreis den Lärm gehört und die Botschaft verstanden haben würde: Der Wanderzirkus war da.
    Auf dem Anger hinter der Stadtmauer waren bestimmt schon die Zelte aufgeschlagen, ein großes, rundes, buntes und darum herum viele kleine, schäbigere Zelte. Für ein paar Pfennige konnte man dann die wilden Tiere in ihren Käfigen anschauen, vielleicht war ein Luchs dabei, ein Wolf, ein Braunbär. Einmal hatten sie sogar einen richtigen Elefanten mitgebracht, der mit seinem langen Rüssel Wasser speien konnte. Und dann die Vorstellungen: werktags zwei und sonntags drei, obwohl der Pfarrer in der Messe wieder schimpfen würde, dass der Tag des Herrn durch solch sündiges Treiben geschändet würde.
    Gleich morgen gehe ich hin, dachte Maria. Die erste Vorstellung ist immer die beste. Dann kontrollierte sie wieder die Wäsche auf der Leine und die Brüder an der Pfütze und dabei entdeckte sie die Frau.
    Sie stand im Schatten des Tores und blickte

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