Zodius: Gegen den Sturm (German Edition)
diese Gelegenheit nutzen, um herauszufinden, was wir übersehen haben.«
»Selbst wenn ich es in Erwägung ziehen würde – und das werde ich nicht –, muss ich windwalken, um vor dem Militär dort zu sein.«
Verzweiflung stieg in ihr auf. Diese Gelegenheit könnte so wichtig sein. Vielleicht entscheidend. Ihre einzige Hoffnung. »Kannst du mich nicht mit dir transportieren?«
»Der Transport von Menschen mit dem Wind kann ein tödliches Risiko für sie darstellen.«
Drängend hielt sie dagegen: »Ich unterscheide mich von den meisten anderen Menschen. Ich bin nicht einmal wie die meisten
Ice
-Süchtigen. Das haben wir bewiesen. Wir können nicht riskieren, etwas zu übersehen. Du musst mich mitnehmen. Mir wird schon nichts passieren.«
»Das kannst du nicht wissen.«
»Und du kannst nicht wissen, dass es
nicht
so sein wird. Auf der einen Seite steht ein Leben auf dem Spiel, mein Leben, und auf der anderen das ganze Land. Du weißt, dass es da keine andere Entscheidung geben kann. Du musst mich mitnehmen. Wir verschwenden mit dieser Debatte nur Zeit.« Sie griff nach seinem Arm. »Gehen wir.« Er zögerte, und sie fügte hinzu: »Ich muss sowieso sterben. Ich darf selbst entscheiden, wie. Und ich entscheide mich, es zu tun, indem ich Leben rette.«
Er blieb still stehen, fluchte und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Ich muss wahnsinnig sein, das überhaupt in Erwägung zu ziehen.«
Das kam einem Ja so nahe, wie sie es sich nur wünschen konnte, und Becca handelte sofort. Sie eilte zum Schrank, schnappte sich weiteres medizinisches Zubehör, lief dann zu Sterling zurück und übergab ihm alles. »Steck die Sachen in deinen Rucksack.«
Er warf ihr einen grimmigen Blick zu. »Ich schwöre«, brummte er, »ich habe noch nie eine Frau kennengelernt, die mich derart nach ihrer Pfeife hat tanzen lassen wie du.«
Sie dachte an das, was Caleb über seinen Bruder gesagt hatte, reckte das Kinn und wiederholte seine Worte. »Ich sehe das als Kompliment.«
Sterling griff nach ihrer Hand und zog sie mit sich. Seine Resignation zauberte ein Lächeln auf ihre Lippen. Sie sollte gleich windwalken, was sie mit aufgeregter Neugier erfüllte, aber ohne einen Funken Angst.
Im Moment, so kam es ihr vor, könnte sie sterben, um zu leben. Oder vielleicht lebte sie, um zu sterben? So oder so – sie brannte darauf, diese medizinische Probe an sich zu bringen.
Weniger als eine Minute später öffneten sich stählerne Sicherheitstüren, und unsichtbare Windböen wehten ins Innere des Neon. Sterling zog Becca dicht an sich, und mehrere Sekunden wankte er in seiner Entscheidung, sie mitzunehmen. Vielleicht tat er oft nicht das, was man von ihm erwartete, aber er war auch nicht der Typ, der Dummheiten machte. Becca mitzunehmen lag irgendwo in der Mitte zwischen beidem, wahrscheinlich mit leichter Tendenz zur Dummheit. Aber ihm blieb im Augenblick nicht viel Zeit für solche Überlegungen. Diese Gelegenheit würde ungenützt verstreichen, wenn er jetzt nicht handelte.
»Mir wird schon nichts zustoßen«, sagte Becca und strich ihm über die Wange, als spürte sie sein Zögern oder lese seine Gedanken. »Gehen wir, bevor sie dieses
Ice
-Opfer weggebracht haben.«
Unglaublich. Wirklich verdammt noch mal nicht zu fassen. Becca schien nicht die leiseste Angst zu verspüren und mit der Vorstellung, dass Windwalken für einen Menschen tödlich sein konnte, überhaupt nichts anfangen zu können. Erst der Krebs und dann diese Hölle bei Adam – irgendwie hatte sie eine unnatürliche Unempfindlichkeit gegenüber Angst entwickelt.
Bevor er es sich noch selbst hätte ausreden können, fasste Sterling nach Becca – und gleichzeitig auch ein klein wenig Zuversicht. Es schien, als bekäme er in letzter Zeit immer mehr von beidem zu fassen. Er betätigte den Knopf, um die Türen zu verschließen, dann verschwanden sie im Wind.
20
Sterling und Becca materialisierten sich in einem engen Durchgang rechts vom
Magnolia-
Casino und Freizeitressort.
Sterling legte Becca die Hände aufs Gesicht und sah sie eindringlich an. »Alles in Ordnung?«
Sie blinzelte und musste erst einmal wieder zu sich finden. »Ja. Alles bestens.« Ihre Augen strahlten auf, kleine Strähnen rabenschwarzen Haares flatterten über seine Finger und erfüllten die Luft mit dem frischen, süßen Duft nach Frau. »Das war wirklich absolut unglaublich.« Sie schaute sich um. »Wo sind wir?«
»Wir materialisieren uns niemals auf offener Straße«, erklärte er, griff
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