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Zoë

Titel: Zoë Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Carmichael
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möglichen Größen und Formen, jedes war individuell an die Rahmen angepasst, die Scheiben bestanden aus teils klaren, teils farbigen Scherben. Die einzelnen Stücke waren entweder verleimt oder mit Klebeband verbunden und steckten in den Rahmen wie in einem Kaleidoskop.
    Vor dem Haus gab es einen abgedeckten gemauerten Brunnen; ein Eimer zum Wasserschöpfen hing an einem Seil. Auf der einen Seite, in einem eingezäunten alten Garten, faulten ein paar Kürbisse vor sich hin, auf der anderen sah ich einen Holzstoß mit einer rostigen Axt in einem alten Hackklotz.
    Es schien nicht so, als ob dort noch jemand lebte. Die Haustür stand einen Spalt offen, und so ging ich einfach hinein.
    Falls hier je Menschen gelebt hatten, dann war es ein hartes Leben gewesen. Der einzige größere Raum war voll mit Staub, Spinnweben, Spuren von schmutzigen Schuhen und Laub. Die Polster vom Wohnwagen lagen als Matratze auf einer einfachen Holzpritsche in der Ecke, zusammen mit einem Haufen alter Wolldecken, braunfleckigen Kissen ohne Bezug und ausgeblichenen Quilts, aus denen Staubwolken aufstiegen, als ich mich setzte. Mitten im Raum stand ein Tisch, der aus einer alten Tür auf zwei Baumstümpfen bestand, darauf lagen kaputte Angelschnüre, Eichelhäherfedern als Köder und Steine als Senkgewichte. Daneben standen zwei einfache Stühle, ein hoher und einer in Kindergröße. Auf dem breiten Sims über dem Herd standen zwei eingestaubte Öllampen, und in der Feuerstelle lag ein altes Ofenblech auf Türmchen aus jeweils vier roten Ziegeln. Die dicken Ascheklumpen darunter waren kalt. Auf einigen offenen Borden rechts an der Wand standen ein paar zerbeulte Töpfe und Utensilien, das Waschbecken darunter hatte keinen Wasserhahn. Wer immer hier gelebt hatte, musste sich sein Trink- und Waschwasser vom Brunnen holen.
    Auf rohen Brettern an den Wänden lagen dicht an dicht Schätze aus der Natur, Dinge, wie Kinder sie vielleicht sammelten – Federn von Krähen, Hüttensängern und Kardinalvögeln, eine einzelne Pfauenfeder, dazu viele andere, die ich nicht kannte. Ein anderes Brett war voll mit großen und kleinen Nestern und nicht ausgebrüteten Eiern – blauen, grünen, rosafarbenen und gesprenkelten – neben einer weit größeren Sammlung von zerbrochenen Eierschalen. Auf anderen Brettern lagen graue, papierartige Wespennester, Tierknochen und kleine, in der Sonne ausgeblichene Schädel wie Miniaturversionen von denen in Ms O’KeeffesBildern. Neben Kiefernzapfen so groß wie eine Ananas war ein Dutzend winziger, fingerhutkleiner Zapfen aufgereiht. Ich sah Zweige, die mit grauen, blauen und grünen Flechten bewachsen waren, und jede Menge Steine – große, mittlere und vom Wasser glattgeschliffene Kiesel.
    Ich nahm einige dieser Schätze von den Borden und setzte mich mit ihnen wieder aufs Bett, um sie zu betrachten: ein großes Schildkrötenei, eine kupferfarbene Schlangenhaut, eine vollkommen geformte Pfeilspitze und ein winziges Vogelnest, nicht größer als eine halbe Pflaume ohne den Kern. Am Kopfende des Bettes fühlte ich etwas Hartes, Viereckiges unter den Quilts. Ich sah nach und fand eine alte Zigarrenkiste. Ich öffnete den Deckel. Zuoberst lag ein abgegriffenes Schwarzweißfoto einer Frau. Der Fotograf schien sie überrascht zu haben. Ihre Haare waren zu einem Knoten zusammengesteckt, aus dem sich lauter feine Strähnen gelöst hatten. Auf der Rückseite stand in Kinderschrift ein einziges Wort geschrieben: Mama .
    Unter dem Bild blickte mir ein Miniaturzoo aus Holz entgegen. Ein halbes Dutzend holzgeschnitzter Tiere schmiegte sich in ein Bett aus trockenem Laub. Ein Eichhörnchen, nicht größer als mein Daumen, stand auf den Hinterbeinen und hielt eine perfekt geformte Eichel in den Pfoten. Eine Feldmaus knabberte an einem einzelnen Maiskorn. Eine Opossum-Mutter säugte ihre drei Jungen. Ein Waschbär saß auf den Hinterbeinen und wusch sich sein Banditengesicht. Ein Otter trieb munter in einem Teich. Und das letzte Tier war ein schlafendes Reh, das exakt so aussah wie das weiße Reh. Jede dieser Figuren sah ihrem lebenden Vorbild täuschend ähnlich, bis hin zu den winzigen Ohren, Zähnen oder Klauen. Und jede war seidig glatt und so gründlich poliert, dass sie sanft glänzte.
    Ich staunte über jede einzelne und setzte sie behutsam zurückin die kleine Kiste, so wie ich sie vorgefunden hatte. Dann schloss ich den Deckel und schob die Zigarrenkiste wieder unter die Quilts. Kein Mensch hätte doch so einen Schatz

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