Zoë
Nützliche daran. Auf den flachen Steinen konnte man gut schlafen – im Sommer waren sie kühl, im Winter, wenn die Sonne darauf geschienen hatte, angenehm warm. Die aufrecht stehenden brachen den Wind und schützten vor Regen und Schnee, solange er sich auf der Leeseite hielt. Aber das Beste waren die zahllosen fetten braunen Ratten, die es in dem Steingarten gab – seine Lieblingsmahlzeit.
Was ihn verwunderte, waren die seltsamen Sachen vor den Steinen. Er konnte keinerlei Sinn darin entdecken. Sie sahen aus wie Blumen, waren aber keine. Er roch daran, doch sie dufteten nicht. Er biss hinein, doch sie schmeckten nach nichts. Sie waren nicht kalt und nicht warm. Sie welkten nicht und starben nicht. Stumm und starr standen sie da, unverändert in jeder Jahreszeit, sie wuchsen nicht und bekamen auch keine neuen Blüten. Selbst die Ratten, die sogar Müll fraßen, verachteten sie.
Eines Nachmittags hatte eine alte Frau ihn dabei erwischt, wie er auf den größten Strauß gepinkelt hatte. Sie hatte ihn verjagt, hatte ihn angeschrien und mit den Armen herumgefuchtelt, und er war in den Kriechgang unter dem weißen Gebäude geflohen. Aus seinem Versteck heraus beobachtete er, wie sie die tropfenden Dinger mit Daumen und Zeigefinger aus der Erde zog, sie unter einem nahen Wasserhahn von seiner Duftmarke befreite und erneut in die Erde setzte. Von da an vermutete er, dass diese Gegenstände dazu dienten, das Revier zu markieren, und davon verstand er etwas. Also pinkelte er darauf, wann immer er konnte, und besonders häufig auf das Revier der alten Frau. Doch vergebens wartete er darauf, dass sie es ihm nachtat.
Plötzlich hörte er außerhalb Türen schlagen, gefolgt von Schritten auf dem Weg, dem schleppenden Geräusch der schweren Eingangstür und gedämpften Schritten über ihm. Die Schritte und die Stimmen kamen näher, er hörte ihr Echo in dem großen Raum. Es waren Männerstimmen und Frauenstimmen, und eine davon erkannte er: die Stimme der Frau, die ihn angekeift hatte, und auch jetzt hatte sie wieder etwas zu schimpfen.
Er ist da unten, ganz bestimmt, ich hab ihn gesehen, wie er durch den Lüftungsschacht verschwunden ist. Er macht sein Geschäft auf Harolds Grab, das dulde ich nicht.Man muss Gift auslegen da unten, das ist meine Meinung, damit ist das Problem gelöst.
Wessen Katze mag das denn sein?, fragte ein Mann. Vielleicht gehört sie jemandem? Auch diese Stimme kannte der Kater. Sie gehörte dem humpelnden, weißhaarigen Mann mit dem Stock, der vor den Leuten aus dem Ort stand und im ernsten Ton auf sie einredete, wenn sie sich oben versammelten.
Keine Ahnung, Herr Pfarrer, sagte ein zweiter Mann. Wie ein Hauskater kommt er mir nicht vor, aber auf jeden Fall frisst er fleißig Ratten. Er tut Ihnen einen Gefallen.
Gefallen!, kreischte die Frau.
Das ist die reine Wahrheit, Constance, bei Gott, sagte der alte Mann. Dieses Jahr ist es ganz schlimm mit den Ratten. Der Kater ist die Antwort auf unsere Gebete, würde ich sagen.
Herr Pfarrer, Sie wollen doch wohl nicht sagen, dass Gott eine Katze schickt, damit sie auf das Grab meines Harold macht?, fragte die Frau ungläubig.
Die Wege des Herrn sind unergründlich, sagte der alte Mann. Was wir meinten, war nur, dass der Gewinn in diesem Fall vielleicht den Verlust aufwiegt.
Es sei denn, Harold mag Ratten gern, sagte der zweite Mann.
Es scheint mir nicht recht, ein Geschöpf Gottes wegen ein paar Plastikblumen zu vergiften, sagte der alte Mann. Was, wenn das Tier jemandem gehört? Dr. Royster wohnt nicht weit von hier.
Seine Familie ist ja bekannt für streunende Kater, sagte die Frau.
Wie wäre es, wenn Mr Pendergrass deine Blumen einmal die Woche mit dem Gartenschlauch abspritzt, Constance?, fragte der alte Mann entnervt. Wäre das eine Lösung?
Einige Augenblicke lang blieb es still.
Möglich, sagte die Frau verkniffen. Jedenfalls fürs Erste. Aber wenn sich …
Ein bisschen Gottvertrauen, Constance – und viel Freude noch bei deiner Orgelprobe, sagte der alte Mann.
Danach gingen die Männer. Die Frau blieb und stapfte die hintere Treppe hinauf und über die Empore, und dabei grummelte und schimpfte sie die ganze Zeit. Auf einmal ertönte ein grauenvoller Lärm, der sich über ihm ausbreitete, die Wände erbeben ließ und sich durch alle Leitungen fortsetzte, während die Frau dazu jaulte. Mit einem Satz war der Kater aus seinem Versteck heraus und im Wald verschwunden. In seinem Kopf hämmerte es, und er wünschte nur, sie wären alle
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