Zoë
Zeit, Sparky zu besuchen, der unserem Wachmann gehörte. Sparky war ein kleiner brauner Hund, eine Terriermischung, ganz lieb und anhänglich. Mr Sylvester hatte ihn von einer Verkehrsinsel mitten auf einer Schnellstraße in Kalifornien gerettet. Sparky war auf dieser Insel unablässig hin- und hergelaufen, aber der kleine Hund saß in der Falle, weil auf beiden Seiten Autos mit einer Geschwindigkeit von über hundert Stundenkilometern an ihm vorbeirasten. Mr Sylvester erkannte Sparkys Notlage, fuhr an der nächsten Ausfahrt ab und machte kehrt. Dann bremste er kurz am linken Fahrbahnrand, öffnete die Fahrertür, und Sparky sprang herein. Seitdem war der kleine Terrier Mr Sylvesters Beifahrer.
Als ich um die Schule herumging, hörte ich Sparky winseln und bellen. Mr Sylvester band ihn immer an einen Maulbeerbaum hinter der Schule, wo der Kleine geduldig wartete, bis sein Retter mit der Arbeit fertig war. Ich bog um die Ecke und sah, dass die Leine fest um den Baum gewickelt war und Sparkys Hinterläufe sich darin verheddert hatten. Jemand, dessen Gesicht ich nicht sehen konnte, stand über Sparky gebeugt, redete mit ihmwie mit einem kleinen Kind und versuchte, ihn loszubekommen. Als er endlich frei war, rollte sich Sparky auf den Rücken und wand sich vor Vergnügen, als er den Bauch gekrault bekam. Und zwar von niemand anderem als Hargrove Peters, der das anscheinend genauso genoss wie Sparky.
»Braves Kerlchen«, sagte Hargrove mit einer so sanften Stimme, wie ich sie nie von ihm gehört hatte. »Ich hätte so gern einen süßen kleinen Hund wie dich, aber mein Daddy lässt mich nicht«, gurrte er. »Wir könnten tolle Sachen miteinander machen, stimmt’s? Wir könnten angeln gehen und zelten, ich könnte dich zeichnen, und du würdest immer bei mir im Bett schlafen. Aber Dad findet Promenadenmischungen viel zu gewöhnlich, er sagt, ein Junge mit einem nicht reinrassigen Hund oder einem aus dem Tierheim würde bloß von allen ausgelacht.«
Hargrove machte ein trauriges Gesicht, als er Sparky davon erzählte, doch als er den kleinen Hund zur Abwechslung hinter den Ohren kraulte und immer weiter liebevoll auf ihn einredete, sah er gleich wieder fröhlich aus. Ich stand da wie vom Donner gerührt, traute weder meinen Augen noch meinen Ohren und versuchte mir einen Reim auf das zu machen, was ich da sah. Gerade da schaute Mr Sylvester zum Hintereingang der Schule heraus, um zu sehen, weswegen Sparky sich eben noch so aufgeregt hatte, und gleichzeitig bog Henrys Wagen hinter mir auf den Schulparkplatz ein.
Was ich davon halten sollte, dass Harlan wieder in meiner Nähe war, wusste ich auch noch nicht. Zuerst fühlte ich mich zurückversetzt an einen Ort, zu dem mich nichts mehr hinzog. Aber schließlich musste ich ihm doch Anerkennung zollen: Innerhalb von zwei Wochen hatte er den Wohnwagen auf Hochglanz gebracht, in der Hütte neue Fenster eingesetzt, die offenen Fugen zwischen den Holzbalken geschlossen und die verfaulten Holzdielen derVeranda ersetzt, und in seiner freien Zeit hatte er außerdem das alte Motorrad überholt, das er auf der vorderen Veranda der Hütte entdeckt hatte. Er wollte mir beibringen, darauf zu fahren, sobald das Ding wieder fahrtüchtig war, aber fürs Erste hatte ich mich bedeckt gehalten und gesagt, ich würde es mir überlegen.
Als ich an einem Samstagmorgen zur Hütte kam, bastelte er wieder mal an der Maschine herum.
»Hey, Harlan«, sagte ich.
Er saß am Boden und betrachtete eine Reihe öliger Metallteile, die er vor sich liegen hatte, doch jetzt schaute er auf. Er legte seinen Schraubenschlüssel aus der Hand und wischte sich die Hände an einem Lappen ab. Das restliche Motorrad lehnte am Wohnwagen. Herr Kommkomm, der mir gemächlich gefolgt war, kroch unter den Wohnwagen, um ein Schläfchen zu halten.
Ich reichte Harlan eine Tüte mit Obst und belegten Broten, die Fred mir für ihn mitgegeben hatte, und er stellte sie ins Haus, gleich hinter die Tür. »Du bist wirklich ganz schön dürr geworden«, bemerkte ich.
Harlan sah an sich herab. Sein Bauch wölbte sich noch immer eher nach innen als nach außen. »Ich weiß. Das kommt vom Trinken, und irgendwie nehme ich jetzt nicht mehr zu. Dabei mästen mich die Damen von der Kirche schon wie ein Schwein.«
Ich wusste nicht, worüber ich sonst mit ihm reden sollte, also stand ich einfach nur da.
»Wenn du willst, dass ich wieder verschwinde, dann sag’s ruhig«, sagte Harlan, so als wäre ihm der Gedanke schon länger durch
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