Zoë
ich jemanden gesehen, der so schnell war wie mein Fred. Der ist gerannt, als würde er in Flammen stehen, und ist sofort reingesprungen. Die Kinder, die da rumstanden, waren völlig überrascht, sie hatten gar nicht mitbekommen, dass wir überhaupt da waren.«
Bessie schloss die Augen, sie zitterte. »So lange waren die beiden unter Wasser, mir läuft heute noch ein Schauder über den Rücken, wenn ich daran denke. Die Wasseroberfläche wurde schon wieder glatt wie Glas. Aber auf einmal schoss Fred aus dem Wasser wie ein Geysir, beim ersten Mal noch ohne den Jungen. Erholte unglaublich tief Luft, ganz laut und verzweifelt klang das, dann tauchte er wieder unter und blieb noch länger weg als beim ersten Mal. Ich war mir sicher, dass sie beide tot waren. In dem Moment tauchte Henry aus dem Nichts auf und sprang hinterher. Was hattest du eigentlich da oben zu suchen?«, sagte sie auf einmal an Henry gewandt.
»Meine Motive waren alles andere als ehrenwert«, sagte Henry. »Ich war zum Zeichnen da hinaufgegangen, weil die Mädchen von der Highschool immer zum Nacktbaden da waren. Das waren die besten Aktzeichenkurse meines Lebens.«
Harlan kicherte leise.
»Und was passierte dann?«, fragte ich. Was interessierten mich nacktbadende Mädchen!
»Im nächsten Augenblick schossen Fred und Henry aus dem Wasser, mit Garland. Fred schnappte nach Luft und hustete Wasser aus, aber Garland war bleich wie der Tod und atmete nicht mehr. Ich bin an den Beckenrand gerannt, und die beiden haben mir Garland so entgegengereckt, dass ich ihn am Hemdkragen rausziehen und flach hinlegen konnte. Aber geatmet hat er immer noch nicht. Henry hat Fred gesagt, er solle Garlands Beine nehmen und ihm die Knie immer gegen die Brust stoßen. Henry selbst hat sich über ihn gebeugt, das kleine Kinn angehoben und ihm das Leben wieder eingehaucht, abwechselnd mit dieser Art Herzmassage.«
Bessie verschränkte ihre kleinen Hände über dem Herzen und drückte im Takt.
»Ein Wunder«, sagte der Padre.
»Erste-Hilfe-Training bei den Pfadfindern«, sagte Henry trocken.
»Aber das Tollste war«, fuhr Bessie fort, »dass diese Highschool-Schüler anschließend alle nach Hause gingen und das ganze Lob einheimsten, so als wären sie es gewesen, die Garlandaus dem Wasser gezogen hatten. Allen voran diese Lucinda Bean, die Schwester von Tate und Garland, die eigentlich zu Hause auf Garland hätte aufpassen sollen. Sie hatte sich in einen der jungen Wilsons verguckt und deshalb den kleinen Bruder zum Steinbruch mitgebracht.«
»Die vom Supermarkt?«, fragte ich Henry, und er nickte. »Die ist die Schwester vom Sheriff?«
»Allerdings«, sagte Bessie. »Und kein bisschen verändert, wenn du mich fragst. Stand da und behauptete, Delray Peters hätte Garland aus dem Wasser geholt und Willie Wilson ihn wiederbelebt – und das war wirklich die frechste Lüge, die man sich vorstellen konnte, schließlich standen sie staubtrocken neben Fred und Henry, die beide triefend nass waren. Die waren nicht mal so schlau, kurz ins Wasser zu springen, bevor der Sheriff kam! Jeder, der Augen im Kopf hatte, konnte sehen, wer die wahren Helden waren. Garland klammerte sich an Fred, als wäre der seine Mama. Fred musste im Rettungswagen mitfahren, weil Garland ihn nicht losließ. Er wusste, wer ihn rausgeholt hatte. Aber Lucinda und Delray halten bis zum heutigen Tag an ihrer Version fest.«
»Deswegen also können der Bürgermeister und sie euch zwei nicht leiden«, sagte der Padre zu Henry und Fred.
»Aber sie haben doch einem Kind das Leben gerettet!«, rief ich.
»Keine gute Tat bleibt ungestraft«, bemerkte Franklin.
»Von wem?«, fragte ich.
»Gott. Den Schicksalsgöttinnen. Mitmenschen. Such dir was aus.«
»Herr im Himmel«, sagte ich. »Nie im Leben werde ich Gott begreifen und die Menschen auch nicht.«
»Willkommen in der Gemeinde«, sagte der Padre.
»So viel Tapferkeit!«, sagte Helen. »Ich selbst bin ein schrecklicher Feigling.«
»Gar nicht wahr, schließlich hast du mich geheiratet«, sagte Franklin zärtlich, und Helen lächelte.
»Nun, ich habe es gewiss nicht verdient, in so einer mutigen Gesellschaft zu sitzen«, sagte der Padre.
»Also wirklich, Padre«, protestierte Bessie. »Dalton Pendergrass hat mir erzählt, wie Sie den zwei alten Schnepfen die Stirn geboten haben, die Zoës Kater vergiften wollten!«
»Meinen Kater vergiften – wer?«, rief ich. »Ich häute sie bei lebendigem Leibe, das schwöre ich.«
»Ich halte sie solange
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