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Zoë

Titel: Zoë Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Carmichael
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sich gelegentlich als Erntehelfer verdingt, vermutlich illegal. Zu den anderen Wanderarbeitern hat er nur wenig Kontakt.« Er stand auf, kam um seinen Schreibtisch herum und blieb mit ernster Miene vor mir stehen. »Ich muss mal zu unseren Gästen zurück. Versprichst du mir, dass du über das nachdenkst, worüber wir gesprochen haben? Bitte!«
    »Ich versprech’s dir, Onkel Henry.«
    »Dann vertraue ich mal darauf, dass du und ich die Sache auf unsere Art klären können. Einverstanden?«
    »Einverstanden.«
    »Kommst du mit?«
    »Ein bisschen später«, sagte ich, und er nickte kurz und ging hinaus.
    Ohne jemandem gute Nacht zu sagen, ging ich nach oben. Bessie war noch immer richtig aufgebracht und warf Fred vor, er habe vergessen, wie es war, jung zu sein. Ich nahm die kleine geschnitzte Katze von meinem Nachttisch und drehte sie in der Hand hin und her. Ich hatte ganz vergessen, Henry davon zu erzählen. Aber was hätte ich ihm auch sagen können? Ich fragte mich, ob der wilde Junge sie gemacht hatte, die Katze und all die anderen Tiere, die Hargrove gestohlen hatte. Oder ob er wusste, wer es gewesen war. Ich dachte daran, wie viele irre Dinge an diesem Tag passiert waren, an Harlan, der plötzlich aufgetaucht war, an Maud mir ihrem Opossum, den Katzen und dem verkrüppelten Hund, an Henry und Fred, die den kleinen Garland gerettet hatten, vor allem aber dachte ich an den Jungen und sein Reh. Es kam mir so vor, als hätte ich alle Teile eines Puzzles vor mir. Wenn ich nur wüsste, wie sie zusammenpassten.
    Ich nahm das schmale Buch Der Junge, der Katzen zeichnete ausder Schublade meines Nachttisches. Ich schlug es auf und sah mir die Bilder an, weil ich hoffte, sie würden mich beruhigen, doch die Geschichte hatte genau die entgegengesetzte Wirkung. Sie gefiel mir so sehr, dass ich sie gleich zweimal las. Sie handelte von einem japanischen Jungen, der überall Katzen zeichnete – auf Wände, in Bücher, auf Möbel, er konnte gar nicht anders, denn er hatte »eine Künstlerseele«. Eines Nachts wurden die Katzen aus seinen Zeichnungen alle lebendig und töteten den riesigen Rattendämon, um ihm das Leben zu retten.
    Bevor ich das Licht löschte, schob ich das Buch und die kleine Katze unter mein Kissen. So konnte ich in der Nacht danach tasten.

15
    Als Erntedank vorüber war, überredete Bessie Henry dazu, Harlan anzuheuern, damit er die Hütte im Wald wieder herrichtete. Allen außer mir gefiel die Idee auf Anhieb. Harlan sollte so lange beim Padre unterkommen und dafür abends Aushilfsarbeiten für die Kirche machen, während er tagsüber an der Hütte arbeitete und im nördlichen Wald Präsenz zeigte , wie Henry sich ausdrückte. Darauf hatte sich Henry mit dem Sheriff geeinigt, und das war auch die Bedingung, die er mir gestellt hatte. Solange Harlan dort zugange war, durfte ich zur Hütte gehen und durch den Wald streifen.
    Der Bürgermeister setzte auch weiter seine Belohnung aus: Jeder dahergelaufene Petzer konnte fünftausend Dollar einstreichen, wenn er beweisen konnte, wer Hargrove verletzt hatte. Der Sheriff vermutete, es sei ein Streifschuss von Maud gewesen. Von dem Bogen des Jungen hatte ich niemandem etwas verraten. Seit Erntedank gab es keine Spur von dem Jungen oder seinem Reh. Sie schienen längst weitergezogen zu sein.
    Auch mein Tagebuch tauchte nicht mehr auf. Auf Bitten des Bürgermeisters versetzte Mr Reardon, der Schulleiter, Hargrove in eine Parallelklasse, was mir nur recht war. So sah ich ihn fast gar nicht mehr, höchstens flüchtig in den Pausen, beim Mittagessen oder in Schulversammlungen. Natürlich war ich immer noch wütend wegen der Sache mit der Hütte, aber ich hatte Besseres zu tun, als noch mehr Energie auf einen Typen zu verschwenden, der so gemein und so durchgeknallt war.
    Wenn ich merkte, dass er mich auf dem Pausenhof anstarrte oder in einem der Flure in meine Nähe kam, dann ging ich schnell zu Shelby oder sonst jemandem aus meiner Klasse und fing eine Unterhaltung an. Ich kümmerte mich um meine eigenen Angelegenheiten und tat, als wäre ich blind und taub für seine Existenz. Bis zu jenem seltsamen Tag unmittelbar vor den Weihnachtsferien.
    Donnerstags arbeitete Henry immer ehrenamtlich in der Freien Klinik von Sugar Hill, in der Kranke sich kostenlos behandeln lassen konnten. Nachmittags holte er mich dann von der Schule ab. Allerdings kam er immer zu spät, und an diesem speziellen Donnerstag kam er noch später als sonst. Mir machte das nichts, so hatte ich

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