Zorn des Loewen
in bedächtigen Schlucken zu sich nahm. Die leere Flasche schleuderte er in das Meer hinaus. Als der Wind wieder Regentropfen herantrieb, griff er nach den Rudern und begann, sie erneut durch das Wasser zu ziehen.
Der auflebende Wind verjagte die letzten Nebelfetzen. Ein unangenehmer, unberechenbarer Wellenschlag bildete sich um ihn herum, und Mallory zog an den Riemen und starrte in das Zwielicht, das Tag und Nacht voneinander trennte. Sein Kopf war absolut leer; all seine Kraft, geistige wie körperliche, hatte er auf das eine unmöglich erscheinende Ziel gerichtet.
Als er nach etwa zwanzig Minuten wieder eine Pause einlegte, bemerkte er zu seinem Erstaunen, daß er nun schon ziemlich dicht an die Insel herangekommen war. Er vernahm ein leichtes Plätschern gegen den Kiel des Dingis, und es schwenkte herum, wobei es an einem spitzen Felsen vorüberglitt und von einer küstennahen Strömung erfaßt wurde.
Er legte sich mit neuer Kraft in die Riemen, vergaß den Schmerz in seiner Hand, von der das Blut gleichmäßig herabtropfte. Die Strömung tat ein übriges, ihn der Küste näher zu bringen. Die Wellen schlugen jetzt höher herein, als sie von der Brandung über die Felsen gepeitscht wurden, und über das Heck des Bootes begann Wasser hereinzubrechen.
Mallory mühte sich weiter an den Rudern ab, um die Richtung beizubehalten, aber es war zu viel für ihn. Er ließ sie los, kniete sich nieder und hielt sich mit beiden Händen am Bootsrand fest, gespannt darauf, was geschehen würde.
Die Klippen waren nun sehr nahe gerückt. Der Gischt schäumte weiß über den schmalen Küstenstreifen und brach sich an der Felsbank. Hinter Mallory rollte eine breite, ansteigende Dünung heran, gewann an Kraft und zog ihn mit sich fort. Plötzlich erschütterte ein heftiger Aufprall sein Rückgrat. Um ihn herum schäumte das Wasser, und Gischt spritzte hoch auf. Das Boot wurde über schroffe Felsen vorwärtsgerissen, das Holz splitterte. Dann wurde es jäh zum Halten gebracht, als es sich in eine Felsspalte bohrte.
Mallory wartete ab, bis sich die Wassermassen mit einem saugenden Geräusch wieder zurückgezogen hatten, kletterte dann hastig aus den Bootstrümmern und taumelte über die letzten Felsen, die ihn vom Ufer trennten. Dann befand er sich wieder auf sicherem Grund. Er hatte den kleinen Sandstreifen am Fuß der Klippen erreicht.
Er setzte sich nieder und stützte den Kopf in seine Hände. Alles begann sich zu drehen. Der Geschmack von Salzwasser saß in seinem Hals.
Geraume Zeit später stand er auf, um sich die Felswände anzuschauen. Sie erhoben sich in nur etwa zwanzig bis fünfundzwanzig Meter Höhe und neigten sich leicht nach hinten. Sie waren von breiten Wasserrinnen zerfurcht.
Der Aufstieg war leicht genug, so daß er nur ein paar Minuten später vorwärtsstolpernd den Rand erreichte. Er wandte sich um, und ließ den Blick über das Meer schweifen. Der Nebel war nun vollends verschwunden, doch die Dunkelheit fiel schnell herein, und der Mond ging schon dicht über dem Horizont auf.
Mallory hastete durch das nasse Gras. Er folgte dem Hang in einem leichten Bogen und erreichte zehn Minuten später den Rand des Hügels, der sich vom Haus der Grants gesehen am gegenüberliegenden Ende des Hafens erhob.
Die Bucht erschien ihm so seltsam öde, und aus dem Kamin des Hotels stieg kein Rauch. Er erblickte Guyons kleines Motorboot, den Wagen der Grants, der vor einem Felsbrocken hing und die langen Bremsspuren dahinter, die sich den grasbewachsenen Hang hinauf bis zur Straße hinzogen. Er hetzte den Hügel hinab.
Er ging um das Hotel herum zum Vordereingang und rief laut; doch er erhielt keine Antwort. Als er die Tür aufstieß und in die Bar hineinschritt, war er schon innerlich auf etwas Außergewöhnliches vorbereitet, zumindest auf Spuren eines Kampfes.
Jagbir und Juliette Vincente lagen immer noch zusammengekrümmt vor der Bar, eine Lache getrockneten Blutes breitete sich über die Strohmatten aus.
Es war ganz still, zu still, und Mallory glaubte einen kurzen Augenblick lang, das Tosen des Meeres in seinen Ohren zu hören. Die ganze Situation mutete ihn so unwirklich an, so als würde das alles außerhalb seiner Wirklichkeit geschehen. Er drehte sich um und stolperte hinaus.
Er vergeudete fünf Minuten damit, zum Anleger hinunterzulaufen in der verzweifelten Hoffnung, das Guyons Boot seetüchtig sein könnte. Als er den Hügel erklommen hatte und auf das Haus
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