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Zorn - Wo kein Licht

Zorn - Wo kein Licht

Titel: Zorn - Wo kein Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
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keine Zeit hat.«
    Malina nippte an ihrem Wein.
    »Manchmal sagt man etwas und hofft, dass der andere das Gegenteil tut.«
    »Das waren meine Worte, Malina. Vor weniger als zwei Minuten.«
    »Du weißt, wie ich das meine. Du hättest nachhaken sollen. Das hast du nicht getan, weil du es nie ernst gemeint hast. Das spürt er.«
    »Woher willst du das wissen?
    »Ich kenne dich ein wenig. Du bist ein fauler Mensch, Claudius Zorn.«
    Den Bruchteil einer Sekunde spielte Zorn mit dem Gedanken aufzuspringen, die Küche zu verlassen und die Tür mit einem Knall hinter sich zuzuschlagen. Was er aber nicht tat, denn sie hatte recht.
    »Okay«, nickte er ergeben. »Ich werde auf ihn aufpassen.«
    »Gut.«
    Malina war eine praktische Frau. Jetzt, wo alles gesagt schien, beugte sie sich über den Tisch und begann die Teller zusammenzuräumen. Zorn wollte ihr helfen, doch dann fiel sein Blick auf ihr T-Shirt. Genauer gesagt, auf sein T-Shirt. Und ihre Brüste, die jetzt deutlich zu sehen waren.
    Malina sah auf.
    »Was ist? Gefallen sie dir nicht?«
    Zorn wurde tatsächlich rot.
    »Doch. Sehr. Es ist mir nur peinlich, ständig draufstarren zu müssen.«
    Noch immer stand sie vorgebeugt da, einen Teller in der Hand, ihr Gesicht direkt vor seinem. Zorn zwang sich, ihr in die Augen zu sehen. Sein Hals war trocken, er musste sich räuspern, bevor er weiterreden konnte. »Es ist albern, aber ich kann’s nicht ändern. Die sind wie Magneten. Ich komme mir vor wie ein hormongesteuerter Vollpfosten.«
    »Als ich das erste Mal bei dir war, hast du woanders hingestarrt, weißt du noch?«
    Natürlich, auf ihre Beine. Die fand er genauso schön.
    Sie küsste ihn kurz, dann stand sie auf. Als er rauchend am Tisch saß und zusah, wie sie die Teller in die Spüle räumte, stellte er wieder fest, wie zufrieden er war. Er musste nicht weg. Es war gut, dass sie bei ihm war. Dass sie zusammen waren. Wie hatte er nur so dumm sein können? Woher kam dieser Gedanke, dass er lieber allein war? Alles war so, wie es …
    »Es gibt noch etwas anderes, worüber wir reden müssen«, sagte sie über die Schulter.
    Zorn horchte auf. Reden müssen ? Das klang nicht gut. Das Hochgefühl verschwand, als habe jemand eine Tür zugeschlagen. Fast glaubte er, einen leisen Knall zu hören.
    Nein, er wollte nicht wissen, was sie zu sagen hatte.
    »Erzähl’s mir«, sagte er trotzdem und starrte auf seine Zigarette.
    Malina drehte sich um, fuhr sich mit den feuchten Händen durchs Haar und überlegte.
    »Nicht jetzt«, meinte sie dann. »Nicht heute.«
    Er wusste, dass er jetzt nachhaken müsste. Fragen, worum es ihr ging. Ob sie ein Problem hatte, mit ihm vielleicht. Aber er tat es nicht.
    »Okay«, brummte er stattdessen und hoffte, dass sie ihm die Anspannung nicht anhörte.
    Sie warf ihm den Lappen zu.
    »Ich geh jetzt schlafen.«
    »Und ich?«
    »Du machst den Abwasch.«
    Später, als er im Bett lag und ihrem Atem lauschte, fragte er sich, wo diese Leichtigkeit geblieben war. Dieses Glück, das er vorhin beim Essen empfunden hatte.
    Kam es zurück?
    An diesem Abend jedenfalls sollte Zorn es nicht mehr herausfinden, denn kurz darauf war er eingeschlafen.

Vier
    Aus der Luft betrachtet sah die Stadt gar nicht so schlimm aus wie die meisten behaupteten. Denn von oben waren zahlreiche grüne Flecken zu erkennen: der Stadtwald, die Pferderennbahn, der botanische Garten, die großen Friedhöfe und weiter oben über der Stadt, auf einem bewaldeten Hügel, der Tierpark.
    Das Zoogelände wurde auf drei Seiten von Straßen begrenzt, die vierte, südliche, sicherte ein mannshoher, martialischer Zaun aus schwarzen, an den Enden zugespitzten Eisenpfählen.
    Hier, in einer Senke, lag das alte Solbad. So ziemlich jeder in der Stadt kannte diesen großen, verwilderten Park (zumindest dem Namen nach), aber kaum einer, der jünger als dreißig war, hatte ihn jemals betreten. Als der Kurpark angelegt wurde, hatte er sich noch außerhalb der Stadt befunden. Jetzt, über hundertfünfzig Jahre später, lag er nördlich vom Zentrum, umgeben von herrschaftlichen Villen und engen, mit Kopfstein gepflasterten Gassen.
    Es gab Legenden, die sich um das alte Kurbad rankten. Geschichten von einäugigen Zwergen und wahnsinnigen Gnomen, die nachts zwischen den überwucherten Promenaden ihr Unwesen trieben. Märchen, die besagten, dass die Solquelle vergiftet sei, dass jeder, der früher mit dem Wasser in Berührung gekommen war, verflucht wurde. Dass die Toten nicht verwesten und zurück an

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