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Zorn - Wo kein Licht

Zorn - Wo kein Licht

Titel: Zorn - Wo kein Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
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durchnässt, er bemerkte es nicht. Sein Kopf sank gegen die Steine, die Augen fielen ihm zu, er driftete weg, dachte an die Badewanne, die oben auf ihn wartete, das warme Wasser, es würde seinen schmerzenden Gelenken gut tun. Er würde sich umziehen, ein Bier trinken, nein, vorher würde er das kleine, versteckte Fach hinten an seinem Schreibtisch öffnen und…
    Sein Kopf stieß gegen die Zarge einer Stahltür, er zuckte zusammen und kam wieder zu sich.
    Wenn jemand oben ist, hat er mich sowieso längst gesehen, wurde ihm mit einem Mal klar.
    Ächzend richtete er sich auf, verlor das Gleichgewicht, griff haltsuchend nach einer Leiter, die neben ihm an der Wand lehnte. Es krachte, als die Leiter neben dem Container auf dem Boden landete, feuchtes Laub wirbelte auf, Staal erstarrte und sah nach oben.
    Vor den Fenstern der Rentnerin hingen geblümte Gardinen, sie waren zugezogen. Sein Blick wanderte nach rechts, zu seiner eigenen Wohnung. Von der Dachrinne tropfte das Wasser, das trübe Tageslicht spiegelte sich in den schmutzigen Scheiben.
    War da etwas?
    Eine Bewegung? Ein Schatten?
    Nein, entschied Jeremias Staal. Schemen, die ihm sein erschöpfter Verstand vorgaukelte. Hirngespinste, nichts weiter. Sollte er ewig herumsitzen und warten?
    Er sah über den Hof. Da war die Eingangstür zum Haus, nicht mehr als zehn Meter entfernt, dahinter die schmale, gewundene Treppe, zweiundzwanzig Stufen bis hinauf zu seiner Wohnung.
    Staal hinkte los, mit seltsamen, seitlich ausgreifenden Schritten, torkelnd wie ein Matrose auf den Planken eines Schiffs auf hoher See. Der Schmerz schoss durch das verletzte Bein bis hinauf zur Hüfte, verteilte sich über den Rücken, verhakte sich im Kopf, als habe er während der kurzen Ruhepause nur darauf gewartet, mit doppelter Kraft zurückzuschlagen. Staal biss die Zähne zusammen, konzentrierte sich auf das letzte Stück Weg.
    Vier Schritte noch bis zur Tür.
    Drei.
    Er sah die splitternde braune Farbe, das Sichtfenster in der Mitte. Ein Riss zog sich quer über das Glas, die Scheibe war beschlagen. Staal erkannte seinen eigenen, schemenhaften Umriss.
    Und etwas anderes.
    Eine Art Zeichnung, auf dem feuchten Glas.
    Ein Kreis. Zwei Punkte, ein Strich. Ein Strahlenkranz.
    Die weinende Sonne.
    Er war hier. Der Andere.
    Jeremias Staal erstarrte.
    Die Schmerzen waren vergessen.
    Im nächsten Moment sollten sie zurückkehren.
    Schlimmer, als er es jemals erlebt hatte.
    *
    »Ich hatte lediglich um Einsicht in die Prozessunterlagen gebeten, Frau Staatsanwältin!«
    »Und ich habe Ihnen erklärt, dass ich nicht hexen kann, Herr Hauptkommissar!«
    Frieda Borck seufzte. Äußerlich schien sie völlig ruhig, nur ein leichtes Glitzern in den Augen verriet ihren Ärger.
    »Das Verfahren gegen Elias de Koop ist momentan unsere einzige Spur«, erklärte Zorn ungeduldig.
    »Das bemerkten Sie bereits.«
    »Beide, Richter und Anwalt, sind verschwunden. Es müssen weitere Personen an dem Prozess beteiligt gewesen sein, aber um das rauszufinden, brauchen wir die Akten!«
    »Die bekommen Sie. Aber ich muss sie erst anfordern.«
    »Scheiß Bürokratie«, murmelte Zorn.
    Frieda Borck legte eine Hand hinters Ohr.
    »Bitte?«
    »Nichts.« Zorn nahm die Brille ab, säuberte die Gläser mit dem Hemdsärmel und setzte sie wieder auf. »Wir sollten diesen de Koop genauer unter die Lupe nehmen. Am besten wäre eine Hausdurchsuchung.«
    »Vergessen Sie’s.«
    Zorn schob die Unterlippe vor.
    »Warum?«
    »Elias de Koop ist ein angesehener Bürger dieser Stadt.«
    »Ein angesehener Bürger ? Dass ich nicht lache!«
    Zorn tat es trotzdem. Fröhlich klang es nicht.
    »Es liegt nichts, aber auch gar nichts gegen Elias de Koop vor.« Frieda Borck hatte sichtlich Mühe, ruhig zu bleiben. »Der Mann ist wohlhabend, aber deshalb ist er noch lange nicht verdächtig!«
    »Pff!«, machte Zorn.
    »Es gibt nicht den geringsten Hinweis auf Unregelmäßigkeiten.«
    »De Koop wurde angeklagt, es gab einen Prozess, und jetzt werden zwei der Beteiligten vermisst! Himmelherrgott, was wollen Sie mehr?«
    Frieda Borck hieb mit der flachen Hand auf den Schreibtisch. Zorn zuckte zusammen.
    »De Koop wurde freigesprochen, Herr Hauptkommissar! Muss ich Ihnen erklären, was das bedeutet?«
    »Nein, verdammt, denken Sie, ich bin bekloppt?«
    »Natürlich nicht!«
    Der Blick der Staatsanwältin verriet das Gegenteil.
    »Wir haben die Nachricht, die Schröder bekommen hat«, sagte Zorn. Es klang etwas kläglich.
    »Die kenne ich mittlerweile. Was

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