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Zorn - Wo kein Licht

Zorn - Wo kein Licht

Titel: Zorn - Wo kein Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
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auch Zorn gesagt, als er mich fragte, ob ich bei den Ermittlungen helfen will.«
    Die Staatsanwältin nickte stumm.
    Eine Weile war es still, bis auf das Klappern ihrer hohen Absätze und den schweren Atem der Jogger, die in kurzen Abständen an ihnen vorbeihechelten.
    Vor ihnen tauchten die bunten Lichter der Bootskneipe in der Dunkelheit auf, es roch nach gebratenem Fett und heißen Pommes.
    »Hast du eigentlich Hunger?«, fragte Frieda Borck.
    »Nicht unbedingt.«
    »Ich auch nicht.«
    Jan Czernyk war ein schweigsamer Mensch, das wusste sie mittlerweile. Sie mochte die Gelassenheit, die er ausstrahlte, vielleicht, dachte sie manchmal, lag das an seiner asiatischen Abstammung. Sie kannte niemanden, der so in sich selbst zu ruhen schien wie dieser Mann mit den schwarzen Augen und der honigfarbenen Haut.
    Eigentlich hatten sie sich zum Essen verabredet, doch nun liefen sie schweigend an der Kneipe vorbei. Die Lichterketten in den Masten schwankten ein wenig, die Tische unter den Sonnensegeln waren leer, doch unter Deck schien es voll zu sein, die Bullaugen waren hell erleuchtet, Lachen drang heraus und mischte sich mit dem pumpenden Beat eines Schlagers.
    »Wie lange wirst du noch bleiben, Jan?«
    Sie hakte sich bei ihm unter, spürte die Muskeln unter der Wolle seines Mantels.
    »Ich weiß nicht. Es liegt an dir.«
    »Nein, Jan. Es liegt an uns beiden, an dir und mir. Die Frage ist, ob wir so weitermachen wie bisher. Oder ob wir eine Entscheidung treffen.«
    Er blieb stehen.
    »Das ist einfach, Frieda. Ich muss in ein paar Tagen zurück. Und das ist ein ganzes Stück weg von hier.«
    »Ich könnte mitkommen. Nicht heute, auch nicht morgen. Irgendwann.«
    »Meine Wohnung ist klein. Kleiner als deine.«
    »Dann suchen wir eine größere.«
    Rechts von ihnen knackte es im Gebüsch, eine schwarze Dogge löste sich aus dem Schatten und kam direkt auf sie zu gerannt. Die Staatsanwältin versteifte sich, ihr Griff um Czernyks Oberarm wurde fester. Direkt vor ihnen stoppte das Tier. Ein Knurren, gelbe, gebogene Zähne blitzten auf.
    »Ruhig«, sagte Czernyk leise. Es war nicht sicher, ob er die Frau an seiner Seite oder den Hund meinte. Er ging in die Hocke. »Sei still.«
    Die Dogge blinzelte.
    Ein Pfiff. Der Besitzer, ein glatzköpfiger Kerl im grünen Trainingsanzug, erschien zwischen den Bäumen. Eine Zigarette glühte auf. Der Hund reagierte nicht.
    »Geh«, sagte Czernyk und erhob sich.
    Das Tier verschwand.
    Frieda Borck atmete auf.
    »So ein Vieh gehört an die Leine«, murmelte sie und strich sich das Haar aus der Stirn.
    »Du sollst endlich kacken, Rocco!«, rief der Mann im Trainingsanzug hinter ihnen.
    Die Staatsanwältin trat ans Geländer und sah hinab auf den Fluss. Czernyk stellte sich hinter sie, legte die Arme um ihren Bauch und roch an ihrem Haar.
    »Ich fühle mich wohl bei dir, Frieda.«
    Sie machte sich los, drehte sich zu ihm um.
    »Das weiß ich.«
    Der Himmel war verhangen, der Vollmond flimmerte als diffuser, käsiger Fleck hinter den Wolken. Czernyks Gesicht leuchtete fahl. Er nahm die Brille ab, zwinkerte. Ein milchiger, kaum wahrnehmbarer Schleier lag über seinen Pupillen.
    »Deine Augen sehen nicht gut aus, Jan.«
    Sie legte ihm eine Hand auf die Wange. Ihre Finger waren kühl.
    »Warst du beim Arzt?«
    »Es ist nichts.«
    »Ich fragte, ob du beim Arzt warst.«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Eine leichte Entzündung, mehr nicht. Aber wenn du darauf bestehst, lasse ich mich untersuchen.«
    »Das tue ich.«
    Er gab ihr einen Kuss auf die Stirn.
    »Vielleicht hast du recht. Und jetzt sollten wir weitergehen, Frieda. Es ist kalt.«
    Das taten sie dann auch. Ab und zu wechselten sie ein paar Worte, mehr war nicht nötig. Nach einer Viertelstunde verließen sie den Fluss, bogen ab und erreichten die mit Kopfsteinen gepflasterte Gasse, die an der Rückseite des Zoos vorbei hinauf zur Hauptstraße führte.
    »Würdest du hier wohnen wollen?« Frieda Borck deutete nach rechts, wo sich die Villen am Hang aneinanderreihten. Aus großen Fenstern fiel Licht in die Gärten mit den gepflegten Rasen, den Carports und den überall versteckten Überwachungskameras. Von der Straße allerdings war davon wenig zu sehen, hohe Mauern und sorgfältig gestutzte Hecken verdeckten die Sicht.
    Czernyk blieb stehen, sah hinüber auf die andere Straßenseite. Die Schornsteine des verlassenen Solbades ragten in den Nachthimmel wie Wehrtürme eines mittelalterlichen Schlosses.
    »Warum nicht? Ein wenig morbide, aber

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