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Zorn - Wo kein Licht

Zorn - Wo kein Licht

Titel: Zorn - Wo kein Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
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wehte auf, der Besen kratzte über den Bürgersteig. Staal wiederholte die Frage, etwas lauter jetzt.
    »Verschwinde.«
    Ein Wort nur. Der Mann drehte sich um. Er hatte schwarzes, etwas zu langes Haar, dunkel glänzende Augen, ein kurzer Schnauzer wuchs über dem markanten, unrasierten Kinn. Der Kragen des Pullovers war ausgeleiert, die großen Hände hielten den Besenstiel fest umklammert, wie eine Waffe. Staal roch frisch gebratenes Dönerfleisch. Und die Verachtung, die ihm entgegenströmte.
    Er sah auf.
    Hilf mir, sagte dieser Blick. Ich bin Dreck, Aussatz, aber du kannst es mir leichter machen, wenigstens für ein paar Minuten. Ich habe Durst, will nur etwas trinken, ganz kurz nur, dann bin ich wieder weg.
    Die Augen des Mannes wurden hart.
    Staal hinkte weiter.
    Ein Fieberschauer ließ ihn erzittern, er kämpfte gegen den aufkommenden Schwindel, vergeblich, die Beine knickten weg, mit letzter Kraft erreichte er einen Papierkorb und sank auf dem Rand zusammen. Eine Weile saß er so da, der Verkehr rauschte dahin, Fußgänger hasteten zur Haltestelle. Ein Müllauto raste vorbei, der Lärm war ohrenbetäubend.
    »Kann ich Ihnen helfen?«
    Staal fuhr zusammen. Ein kleiner rundlicher Mann stand vor ihm, er hatte die Hände auf den Knien abgestützt und sah auf ihn hinab. Er war fast kahl, seine Augen waren hell, wasserblau. Es waren gute Augen, das erkannte Staal sofort.
    Er fuhr sich mit der Zunge über die rissigen Lippen.
    Ja, wollte er sagen, ich kann nicht mehr, ich brauche Hilfe. Doch seine Kehle war trocken, er brachte kein Wort heraus.
    »Ich bin Polizist«, erklärte der Kleine und wies auf die andere Straßenseite. »Ich arbeitete gegenüber. Brauchen Sie einen Arzt?«
    Staal schüttelte heftig den Kopf und stand auf. Keine Polizei. Wieder verlor er das Gleichgewicht, der kleine Mann hielt ihn am Arm fest, sonst wäre er gefallen.
    »Sind Sie sicher?«
    »Ja«, krächzte Staal. »Ich will zur Bahnhofsmission, das schaffe ich. Mir war nur kurz schlecht, es ist schon wieder besser.«
    Es hupte, gegenüber bog ein schwarzer Volvo auf den Parkplatz ein. Ein großer dunkelhaariger Mann stieg aus und sah zu ihnen herüber.
    »Kommst du?«, rief er über die Straße.
    »Gleich, Chef!«
    Der kleine Mann winkte hinüber, dabei ließ er Staal nicht aus den Augen.
    »Sind Sie sicher?«, wiederholte er.
    Es folgte ein Augenblick, in dem Jeremias Staal tatsächlich überlegte, ob er sich diesem kleinen Polizisten mit den hellblauen Augen anvertrauen sollte.
    Er entschied sich dagegen, machte sich los und hinkte davon.
    Kurz darauf war er im Nebel verschwunden.
    *
    Zorn lehnte mit verschränkten Armen an der Motorhaube des Volvos und beobachtete, wie Schröder hastig näherkam.
    »Was wolltest du von diesem Penner?«
    »Das war kein Penner, Chef. Und wenn, wäre es egal. Er sah aus, als ob er Hilfe brauchte.«
    »Und?«
    »Was, und?«
    »Hast du ihm geholfen?«
    Schröder schüttelte den Kopf.
    »Er hat mich weggeschickt. Eigentlich wollte ich nur kurz Brötchen holen, da hab ich ihn gesehen. Ich bin nicht sicher, aber ich glaube, ich kenne ihn irgendwoher.«
    Es begann zu nieseln. Winzige, schwerelose Tröpfchen wehten heran, sofort bildete sich ein schimmernder Wasserfilm, zuerst auf Zorns Volvo, dann auf Schröders Glatze.
    »Wie war’s bei de Koop?«, fragte Schröder.
    »Ich bin nicht sicher. Irgendwie gefällt mir der Typ nicht.« Zorn kratzte sich am Hinterkopf. »Er kennt sowohl den Richter als auch den Anwalt, aber das war ja klar.«
    »Was ist mit den anderen beiden?«
    »Die hat er nie gesehen, behauptet er. Weder Grünbein, den Banker, noch Jeremias Staal. Er war übrigens auf dem Polizeiball, aber das muss nichts bedeuten. Der Mann hat Geld wie Heu, wahrscheinlich treibt er sich ständig auf solchen Veranstaltungen rum.« Zorn seufzte. »Ich denke, wir müssen uns diese Prozessakten ansehen, damit wir wissen, was da genau abgelaufen ist.«
    »Ich ahne, wer von uns beiden das tun wird, Chef.«
    Zorn grinste.
    »Ich auch.«
    Fröstelnd schlug Schröder den Kragen seines Anoraks hoch, der dünne Leinenstoff hatte mindestens zwanzig Jahre auf dem Buckel.
    »Lass uns reingehen, es ist kalt.«
    »Ich rauch noch eine.«
    »Dann geh ich schon mal vor, wenn’s beliebt.«
    Schröder wollte loslaufen, stoppte aber, als sein Handy klingelte. Das Gespräch dauerte nicht länger als zwanzig Sekunden. Zorn angelte währenddessen die Zigaretten aus der Lederjacke, ein Klicken, das Feuerzeug flammte auf.
    »Was

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