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Zorn - Wo kein Licht

Zorn - Wo kein Licht

Titel: Zorn - Wo kein Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
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können. Nicht, wenn ich es nicht will. Aber das ist nebensächlich.
    Er strich mit dem Ärmel das Papier glatt, dann klappte er das Notizbuch zu. Schloss die Augen und überlegte, was er als Nächstes tun würde.
    Der Mann im Nebenraum stieß einen leisen Schrei aus.
    Er achtete nicht darauf.
    *
    Später an diesem Oktobertag sollte Claudius Zorn trotz des trüben Wetters mehrere kleine Lichtblicke erleben, jedenfalls in Bezug auf seine Arbeit. Es war halb vier, also bald Feierabend (der erste Lichtblick), der Tote war vor weniger als neun Stunden aufgefunden worden, und doch waren sie bereits ein großes Stück weiter (Lichtblick Nummer zwei).
    »Es war eindeutig Selbstmord«, erklärte Schröder gerade. »Er hat Schmauchspuren an der Hand, also definitiv selbst geschossen. Die Waffe lag direkt unter der Brücke im Fluss, seine Fingerabdrücke sind drauf. Er muss selbst gesprungen sein, wir haben keinerlei Hinweise auf einen Kampf gefunden.«
    Zorn rührte schweigend in seinem Kaffee.
    »Das sind natürlich vorläufige Ergebnisse«, fuhr Schröder fort, »aber ich glaube nicht, dass sich daran etwas ändern wird. Wir haben drei Leute, die angeben, heute Morgen gegen fünf so etwas wie einen Schuss gehört zu haben, aber leider keinen Augenzeugen.«
    »Ich habe vorhin jemanden kennengelernt«, sagte Zorn, ohne mit dem Rühren aufzuhören. »Du wirst es nicht glauben, aber der Typ sieht alles. Sagt er jedenfalls.«
    Schröder verschränkte die Arme hinter dem Kopf.
    »Interessant, Chef. Vielleicht sollten wir ihn vorladen.«
    »Das bringt nix. Er braucht seine Lampe.«
    Schröder hob eine Augenbraue.
    »Aha.«
    Zorn starrte nachdenklich in seinen Kaffee.
    »Er trägt so eine Stirnlampe am Kopf. Die muss an sein, sonst funktioniert es nicht, sagt er. Außerdem spricht er mit Gott.«
    Sie schwiegen einen Moment. Die Klimaanlage sprang leise surrend an.
    »Ich hab ihm Geld gegeben«, sagte Zorn.
    »Warum?«
    »Für Batterien.«
    »Ach so.«
    Der Kaffeelöffel klirrte in der Tasse.
    »Damit die Lampe wieder geht.«
    »Klingt einleuchtend.«
    »Einleuchtend, genau.«
    Der Nieselregen war stärker geworden, feine Schlieren liefen am Fenster hinab.
    Zorn trank von seinem Kaffee.
    »Was reden wir hier eigentlich für eine Scheiße?«
    »Keine Ahnung, Chef. Du hast damit angefangen.«
    Zorn rührte weiter. Schröder sah ihm eine Weile zu.
    »Der Tote hat bei der Sparkasse gearbeitet. In der Kreditabteilung.«
    Der Kaffeelöffel verharrte, es wurde still.
    »Ach, das wissen wir also auch schon?«, fragte Zorn.
    »Ja. Das wissen wir auch schon.«
    »Dann haben wir heute hervorragende Arbeit geleistet, finde ich.«
    »Of course«, nickte Schröder ernst. »Er hieß Meinolf Grünbein, geboren am 15. März 1952, keine Kinder, alleinstehend«, zitierte er aus dem Gedächtnis.
    Zorn leckte den Kaffeelöffel ab und legte ihn neben der Tasse auf den Schreibtisch. Den missbilligenden Blick Schröders ignorierte er.
    »Dann wäre das also auch erledigt.«
    »Ich frage mich nur«, sagte Schröder und kratzte sich am Kinn, »warum er einen Pyjama trug.«
    »Selbstmörder achten für gewöhnlich nicht sonderlich auf ihre Garderobe, Schröder.«
    »Trotzdem. Er hat in der Nähe des Zoos gewohnt, das sind fast zwei Kilometer bis zur Brücke, die er im Schlafanzug zurückgelegt hat. Er muss einen Grund gehabt haben.«
    Zorn sah aus dem Fenster und dachte an den Lampenmann.
    »Vielleicht war er einfach nur durchgeknallt.«
    »Oder er war in Panik, Chef.«
    »Wovor?«
    »Es könnte doch sein, dass er verfolgt wurde. Dass ihm jemand Angst eingejagt hat. So sehr, dass er von der Brücke gesprungen ist.«
    »Und sich sicherheitshalber noch eine Kugel in den Schädel gejagt hat?«
    Schröder zuckte die Achseln.
    »Wir werden sein Umfeld unter die Lupe nehmen, nachsehen, was er bei der Sparkasse so gemacht hat. Vielleicht hat er einen Abschiedsbrief hinterlassen. Nachher fahre ich erst mal in seine Wohnung.«
    »Okay.« Zorn sah auf die Uhr. »Was mache ich in der Zeit?«
    »Du könntest die Begonien umtopfen, Chef.« Schröder lächelte. »Natürlich nur, wenn du Lust hast.«
    Zorn schwieg, warf ihm aber einen Blick zu, den er für vernichtend hielt.
    Dann nahm er den Löffel und rührte weiter in seinem Kaffee.
    *
    Das Problem des Claudius Zorn war einfach: Er hatte keinen Ort mehr, an dem er allein sein konnte. Nirgendwo fand er Ruhe. Weder bei der Arbeit noch zu Hause. Dort wartete Schröder, hier Malina. Überall war jemand.
    Sicherlich, Zorn

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