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Zorn - Wo kein Licht

Zorn - Wo kein Licht

Titel: Zorn - Wo kein Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
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ging in die Hocke, legte den Kopf schief und sprach jetzt durch den Schlitz, durch den normalerweise die Dokumente geschoben wurden.
    »Kennen Sie vielleicht einen guten Psychologen? Ich glaube, ich habe einen klitzekleinen Nervenzusammenbruch. Na ja, egal.« Er kicherte. »Sie müssen sich nicht entschuldigen, ich bin sicher, Sie haben aufgepasst wie ein Luchs. Wahrscheinlich waren Sie ja nur mal kurz auf dem Klo, da hat er sich bestimmt heimlich vorbeigeschlichen. Apropos Klo: Sie haben hier nicht zufällig einen Wechselschlüpfer rumliegen? Also wenn ich Pförtner wär, ich hätte immer einen dabei, man weiß ja nie!« Zorns Augen wurden groß, er senkte die Stimme zu einem vertraulichen Flüstern. »Ich hab mir ein bisschen in die Hose gemacht. Sicher bin ich nicht, aber es wäre nett, wenn Sie mal nachschauen würden. Nach einem frischen Schlüpfer, meine ich.«
    Der Pförtner wählte eine Nummer.
    »Ich ruf den medizinischen Notdienst.«
    »Tun Sie das«, nickte Zorn ernst. »Die sollen Zigaretten mitbringen. Meine liegen oben, im Büro, aber ich will da jetzt nicht noch mal rein, der Gestank ist echt schlimm, aber das hab ich ja schon gesagt. Haben Sie schon mal Gehacktes gerochen, das ein paar Stunden in der Sonne gelegen hat? Eklig, sag ich Ihnen!«
    Der Pförtner nickte ihm beruhigend zu, dabei sprach er leise ins Telefon.
    »Das mit der Unterhose bleibt aber unter uns.« Zorn kniff verschwörerisch ein Auge zusammen. »Wenn Schröder das rauskriegt, nimmt er mich nie wieder ernst. Aber das tut er sowieso nicht. Na ja, ich muss dann auch weiter.« Zorn erhob sich, schwankte, stand einen Moment unschlüssig da, die Augen verträumt an die Decke gerichtet. »Wo wollte ich eigentlich hin?«
    »Gleich ist jemand hier.« Der Pförtner legte auf. »Sie sollten sich erst mal beruhigen.«
    Zorn sah ihn an, als bemerke er ihn erst jetzt.
    »Ich kenne Sie«, erklärte er mit wichtiger Miene. »Ist hier zufällig ein Toter vorbeigelaufen?«
    Dann begann er zu lachen.
    Er hörte erst auf, als der Krankenwagen auf den Parkplatz einbog.

Neunzehn
    »Wo bin ich?«
    »Bei mir zu Hause, Chef. Genauer gesagt, in meinem Bett.«
    Schröder hatte einen Stuhl neben das Bett geschoben, in der Hand hielt er ein Glas Kamillentee. Zorn roch die frische Wäsche, erkannte den hässlichen, tintenfischartigen Leuchter an der Decke.
    »Wie spät ist es?«
    »Fast elf.
    »Ihr hättet mich gleich in die Klapse bringen können.«
    »Du hast eine Spritze bekommen, mehr nicht. Du brauchtest Ruhe. Ich wollte dich nicht allein lassen, deshalb habe ich dich zu mir fahren lassen. Willst du einen Schluck Tee?«
    »Nee.«
    Zorn hob die Bettdecke an.
    »Hast du mich ausgezogen?«
    »Nur die Hose.« Schröder lächelte kurz, dann fügte er hinzu: »Und die Schuhe. Das Bett ist frisch bezogen.«
    Zorn dachte einen Moment nach.
    »Ich hab mir das nicht eingebildet, oder?«
    »Nein, Chef.«
    »In meinem Büro ist eine Leiche?«
    »Jetzt liegt sie in der Rechtsmedizin.«
    »Ich kann das alles nicht glauben.« Zorn schloss einen Moment die Augen. »Wer ist der Tote?«
    Schröder stellte das Glas neben das Bett auf den Boden.
    »Elias de Koops Anwalt. Der Mann, den wir gesucht haben.«
    »Wie ist er an meinen Schreibtisch gekommen?«
    »Das wissen wir nicht. Das ganze Haus steht Kopf, aber es wird eine Weile dauern. Der Bürotrakt war um diese Zeit leer, da hat niemand was beobachten können. An der Pforte spaziert man nicht einfach so mal vorbei, das weißt du selbst. Schon gar nicht mit einer Leiche im Gepäck.«
    »Was sagt der Pförtner?«
    »Dass du ihm einen Vortrag über Wurst gehalten hast.«
    Zorn dachte nach. Er konnte sich an nichts erinnern.
    »Echt?«
    » Yes«, nickte Schröder. »Und du wolltest eine Unterhose.«
    »Erspar mir weitere Einzelheiten.« Zorn zog die Bettdecke bis unters Kinn. »Bitte.«
    Schröder bückte sich, nahm das Teeglas und trank selbst einen Schluck.
    »Wir müssen uns beeilen. Die Presse scharrt schon mit den Hufen.«
    »Die Presse ist mir scheißegal«, knurrte Zorn. »Aber ich will wissen, was da passiert ist. Niemand latscht heimlich mit einer Leiche durch ein Polizeipräsidium.«
    »Er könnte eine Keycard benutzt haben. Wenn er ein Auto hatte, ist er in die Tiefgarage gefahren und von dort mit dem Fahrstuhl in den Bürotrakt. Das wäre theoretisch denkbar, die Kameras an der Schranke sind alt, das Bild nicht besonders gut. Man erkennt den Fahrer kaum, geschweige denn, ob er eventuell eine Leiche im Kofferraum

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