Zornesblind
dabei ihre BH s und Höschen trug.«
»Kann sein.«
»Kann sein, muss aber nicht. So ist das eben im Leben. Bis jetzt liegt gegen Dr. Ostermann nichts vor – er ist lediglich von Interesse für uns. Und noch was: Es wird sicher aufschlussreich, wie er unsere Fragen beantwortet. Ist er ehrlich, oder lügt er? Das ist immer das Entscheidende.«
Striker legte den Gang ein und rollte vor das Tor. Er drückte auf den Knopf der Gegensprechanlage und wartete auf eine Reaktion.
»Hallo?«, meldete sich kurz darauf eine Frauenstimme.
Striker hielt seine Dienstmarke vor das Objektiv der Überwachungskamera, die in der Mauer installiert war.
»Vancouver Police«, sagte er mit Nachdruck. »Wir müssen mit Dr. Erich Ostermann sprechen.«
Lexa Ostermann, die Frau des Arztes, empfing die beiden und geleitete sie ins Haus. Striker musterte sie verstohlen. Er schätzte sie auf Mitte vierzig, eine schöne Frau mit einem hinreißenden Lächeln. Schulterlanges, dichtes honigfarbenes Haar umrahmte ein zart gebräuntes Gesicht mit dunkelbraunen Augen. Elegant und atemberaubend sexy, war sie zweifellos die perfekte, viel umschwärmte Gastgeberin auf den Partys ihres Mannes.
Sie fing Strikers Blick auf. »Hier entlang, Detective.«
Sie führte die beiden von der Eingangshalle in eine kleine Bibliothek. Holzvertäfelte Wände, die schwere Holztür und Holzregale gaben dem Raum etwas Bedrückendes. In die Decke waren winzige Lichtspots eingelassen. In einer Nische neben dem Fenster, das zur Bucht hinausging, stand ein Gaskamin. Lexa Ostermann drückte einen Knopf an der Wand, woraufhin rotglitzernde Flammen hinter dem Glas emporschossen.
»Bitte«, sagte sie. »Setzen Sie sich doch. Der Doktor kommt gleich.«
Striker registrierte ihren leichten Akzent. »Kommen Sie aus Tschechien?«, erkundigte er sich.
Sie lächelte nachsichtig. »Sagen wir einfach aus Europa, das klingt moderner.« Sie tippte ihm leicht auf die Schulter. »Trotzdem bin ich beeindruckt, Detective. Sie haben ein gutes Gehör.«
»Ich habe viele gute Eigenschaften.«
Um ihre Mundwinkel herum zuckte es. »Ganz sicher.« Als Striker nichts erwiderte, strich sie ihm abermals über die Schulter und fuhr fort: »Ich war sehr jung, als ich herkam. Wirklich verblüffend, dass Sie meinen Akzent nach der langen Zeit noch heraushören – die meisten Leute merken das nicht.«
»Ich bin nicht wie die meisten Leute.«
Sie lachte hell. »Das glaub ich Ihnen aufs Wort.«
»Wo bleibt denn Ihr Mann?«, hakte Felicia nach.
»Mein Mann …« Lexa Ostermann nickte vage, und ihr Lächeln entgleiste. »Ach ja, natürlich.« Sie schwenkte herum und verließ die Bibliothek. An der Tür drehte sie sich noch einmal um und gestikulierte unschlüssig mit den Händen. Striker konnte sich dem Eindruck nicht verschließen, dass die eben noch selbstbewusste Frau mit einem Mal angespannt und bedrückt wirkte. Besorgt.
»Es … es ist doch nichts Schlimmes passiert, Detective, oder?«, erkundigte sie sich.
Striker schüttelte den Kopf. »Es geht um eine Patientin Ihres Mannes. Deshalb möchten wir ihn kurz sprechen.«
Lexa Ostermanns Augen weiteten sich. »Dr. Ostermann ist sehr fürsorglich im Umgang mit seinen Patienten«, sagte sie weich. »Bitte, seien Sie vorsichtig mit dem, was Sie sagen. Er regt sich furchtbar schnell auf.«
»Wir werden das berücksichtigen«, versprach Striker.
»Danke, Detective.«
»Kein Problem. War nett, Sie kennen zu lernen, Mrs. Ostermann.«
»Ganz meinerseits, Detective Striker.«
Sie schenkte Striker ein strahlendes Lächeln, das jedoch eher aufgesetzt als herzlich wirkte, und glitt in den Flur. Als sie weg war, ließ Felicia sich in einen der Lesesessel sinken.
»Du kannst den Mund wieder zuklappen, sie ist weg.«
Striker musterte sie verblüfft. »Ich hab keine Ahnung, wovon du sprichst.«
»Nein, ganz sicher nicht. Ich habe viele gute Eigenschaften … ich bin nicht wie die meisten Leute … Gott, man könnte meinen, du bist scharf auf sie.« Sie nahm sich eine von den Zeitschriften, die auf einem kleinen Tischchen lagen, und blätterte darin.
Striker blickte Lexa nach, die eben im Gang verschwand, seine Miene besorgt. Auf ihn hatte sie zuletzt einen nervösen, etwas verängstigten Eindruck gemacht. Er drehte sich zu Felicia und musterte sie fragend.
»Ist dir nichts aufgefallen?«
»Außer dass du schamlos geflirtet hast? Nein.«
»Ich meine an Lexa«, schob er nach. »Ich fand, sie wirkte … irgendwie nervös. Hast du mitbekommen, wie
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