Zornesblind
fragte Felicia.
»Meine Tochter. Sie kann zuweilen sehr morbide sein, obwohl ich zugeben muss, dass ich selbst auch mal in dem Buch geblättert habe. Grausig, aber es hat was. Ich kann Dalias Faszination durchaus nachvollziehen, trotzdem versuche ich, ihr die Lektüre solcher Titel auszureden.« Er lächelte gewinnend. »Irgendwann werden wir zwangsläufig alle mit dem Tod konfrontiert. Aber erst mal kommt das Leben. Und das sollten wir genießen.«
»Da stimme ich Ihnen voll und ganz zu«, bekräftigte Striker. Er fasste die Hand des Arztes und drückte sie fest. Woraufhin sein Gegenüber merkwürdig zusammenzuckte und einen schleppenden Schritt zurückwich.
Striker bemerkte es. »Was haben Sie, Dr. Ostermann?«
»Ich? Ach, nicht der Rede wert, bloß ein bisschen Kreuzschmerzen.«
Striker nötigte sich ein Grinsen ab und vertiefte das Thema. »Anstrengender Job in der Klinik, was?«
»Könnte man so sagen.«
»Könnte man so sagen«, wiederholte der Detective.
Dr. Ostermann nickte abwesend. »Lexa erzählte mir, dass Ihr Besuch etwas mit einem meiner Patienten zu tun hat?«
»Ja, besser gesagt mit einer Patientin «, räumte Striker ein. »Die Frau heißt Mandy Gill.« Er forschte in dem Gesicht des Psychiaters nach einer Reaktion.
»Mandilla Gill?«
Striker nickte. »Sie war Ihre Patientin.«
»Oh ja, vor einiger Zeit. Sehr labil, die junge Frau, leider Gottes.« Er seufzte und wirkte plötzlich müde. »Was hat sie dieses Mal gemacht?«
»Sie hat sich umgebracht.«
Der Mediziner wurde eine Spur blasser im Gesicht und fuhr kaum merklich zusammen. »Mein Gott, das wusste ich nicht. Das hat mir keiner gesagt … Wann ist das passiert ? «
»Heute Nachmittag«, sagte Felicia.
Dr. Ostermann strich sich mit den Fingern über den Oberlippenbart. »Sie war wieder depressiv … Ich hätte sie in eine Klinik einweisen müssen … Ich wusste es!« Sein eben noch erschrockenes Gesicht lief rot an.
Striker erhob die Stimme. »Mandy hatte schon seit Längerem Probleme.« Er klärte den Psychiater über die ihnen bekannten Details auf – ließ jedoch die Kamera und die Konfrontation mit dem Verdächtigen weg – und kam auf den BMW zu sprechen. »Waren Sie heute irgendwo in der Gegend, Dr. Ostermann?«
Der Arzt überlegte. »Nein, nicht in der Nähe von Miss Gills Apartment – sie wohnt auf der Union Street. Ich war in Downtown East Side. Ich musste kurz in die Klinik wegen ein paar wichtiger Unterlagen.«
»Welche Klinik war das?«
»Strathcona. Auf der Heatley Avenue.« Dr. Ostermann schob die Brille auf seinen Nasenrücken und musterte Striker besorgt. »Darf ich fragen, wieso das wichtig ist?«
Striker nickte, blieb ihm jedoch die Antwort schuldig. »Mit welchem Wagen sind Sie heute gefahren?«
Der Doktor zuckte wegwerfend mit den Schultern. »Mit meinem Privatwagen.«
»Marke?«
»Ein BMW X5, schwarz.«
»Waren Sie allein?«
»Ja, sicher. Hören Sie Detective, hab ich mich irgendwie unkorrekt verhalten oder was?«
Striker sah von seinem Notizbuch hoch und fing Ostermanns Blick auf. »Im Zuge unserer Ermittlungen müssen wir Ihnen diese Fragen stellen, Sir. Reine Routinefragen.«
Dr. Ostermann blieb stumm. Er trat an ein Konsolentischchen, auf dem Flaschen standen, und goss sich einen Whisky ein. Kippte das Glas in einem Zug hinunter und füllte es erneut.
»Ehrlich gesagt«, begann er, »ist es leider nicht das erste Mal, dass einer meiner Patienten Selbstmord begeht. Trotzdem hat mir noch kein Officer derartige Fragen gestellt. Verzeihen Sie, aber für mich klingt das nicht wie ganz normale Routine.«
»Das ist sicherlich korrekt«, räumte Striker ein. »Aber dieses Mal müssen wir gewisse Details ausschließen können. Ihr Wagen wurde zum Zeitpunkt des Todes in der Gegend gesehen. Und Sie waren Mandys Arzt. Zeitfenster und Verbindung, deshalb sind wir hier – um ein paar Informationen über Mandy Gill zu bekommen, denn bislang haben wir nichts Nennenswertes.«
Dr. Ostermanns Miene spiegelte Betroffenheit. »Da gibt es leider Gottes auch nicht viel. Mandy hatte keine Angehörigen. Janelle, ihre Mutter, starb vor ein paar Jahren – da war der Kontakt zwischen den beiden aber längst abgebrochen. Kurz nach der Scheidung ihrer Eltern packte Mandy ihre Sachen und zog von zu Hause aus. Hat mit allem abgeschlossen.«
»Supermom«, ätzte Felicia.
Der Mediziner nickte nur. »Traurige Geschichte, das Ganze. Nach der Verhaftung ihres Vaters hatte Mandy bloß noch einen Cousin, bis der bei einer
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