Zornesblind
vernünftig. Sie wollen der Polizei doch nicht ernsthaft Informationen vorenthalten, die womöglich Leben retten können?«
Der hoch aufgeschossene Apotheker schien mit einem Mal in sich zusammenzuschrumpfen. Er trat einen Schritt zurück. »Ich … ich will mit so was nichts zu tun haben.«
Ungeachtet des Einwurfs schrieb Striker in sein Notizbuch:
Ich, Parminder Sanghera, bin darüber aufgeklärt worden, dass Dr. Erich Ostermann möglicherweise in Lebensgefahr schwebt, und weigere mich, Detective Jacob Striker vom Morddezernat des Vancouver Police Department die gewünschten Informationen zu geben (ärztliche Verordnungen für die Patientin Mandilla »Mandy« Gill). Die möglichen Konsequenzen (Gefahr für Leib und Leben) sind mir bekannt.
»So, jetzt noch Ihre Unterschrift mit Datum.« Striker schob dem Apotheker die Erklärung durch die Schalteröffnung.
Der Angestellte las den Text und wurde eine Spur blasser. Winzige Schweißperlen glänzten auf seiner Stirn. »Warten … warten Sie einen Moment. Also, was genau wollen Sie von mir wissen?«
»Es geht hier nicht darum, was wir wollen, sondern um Informationen, die wir für unsere Ermittlungen brauchen«, versetzte Felicia.
»Ja, ja, ja«, beschwichtigte der Mann. »Das hab ich inzwischen begriffen. Okay, um was genau handelt es sich da im Einzelnen?«
»Um die Angabe, woher das fragliche Rezept stammte.« Striker tippte auf die Abschrift in seinem Notizbuch.
Der Apotheker starrte auf die Buchstaben- und Ziffernkombination. » MVC ist die Abkürzung für die Klinik. Das Rezept wurde in der Mapleview-Klinik ausgestellt.«
Zwischen Strikers Brauen grub sich eine steile Falte. Mist, also doch nicht Riverglen, aber das wäre vermutlich zu einfach gewesen.
»Von welchem Arzt?«, schob er nach.
»Dr. Richter«, lautete die Antwort.
»Richter?«, wiederholte Striker. Der Name sagte ihm nichts. Er hätte auf Ostermann getippt.
»Das ist jedenfalls die Zulassungsnummer von Dr. Richter«, erklärte der Apotheker. »Dr. Ostermann ist wiederum der leitende Arzt der Klinik.«
»Dr. Richter«, wiederholte Striker erneut. Er notierte sich den Namen, dann steckte er sein Notizbuch weg. Er bedachte sein Gegenüber mit einem langen, ernsten Blick. »Sie haben uns sehr geholfen.«
»Unter Umständen sogar jemandem das Leben gerettet«, setzte Felicia hinzu.
Der Pharmazeut nickte, sein Gesicht grau wie verbrannte Holzkohle. Als Striker erklärte, dass sie keine weiteren Fragen an ihn hätten, verschwand der Mann im hinteren Bereich der Apotheke. Striker nickte auffordernd zur Tür, und Felicia folgte ihm nach draußen.
Es war spät geworden, trotzdem beschlossen die beiden Detectives, Dr. Erich Ostermann einen kurzen Besuch abzustatten.
Zumal die Fahrt zur Belmont Avenue höchstens zehn Minuten dauerte.
19
Kaum im Wagen zog Felicia den Mantel fester um ihren Körper und drehte die Heizung auf Hochtouren. Das Gebläse dröhnte so laut, dass Striker es kaum mitbekam, als sein Handy summte. Er riss es aus der Tasche und registrierte den Namen auf dem Display. Noodles. Alias Jim Banner von der Spurensicherung. Er presste das iPhone an sein Ohr.
»Hey, was hast du für uns gezaubert, Noodles?«
Der Angesprochene lachte. »Ein Glück für dich, dass ich kein Zauberer bin. Sonst hätte ich dich Arschgesicht wahrscheinlich schon vor Jahren auf einen fernen Planeten gezaubert. Aber Spaß beiseite: Ich hab Fingerabdrücke sichergestellt.«
»Wo?«, fragte Striker plötzlich elektrisiert.
»Am Kühlschrank. Auf der Tür und im Innenraum.«
»Und, irgendwelche Suchergebnisse?«
Noodles seufzte frustriert. »Nein, da war nichts zu machen. Sind leider bloß Fragmente.«
Striker sank fluchend in seinen Sitz. Er sah, dass Felicia ihn erwartungsvoll anstarrte, und schüttelte den Kopf. »Und wie gut ist das, was du hast?«
»Nicht besonders gut – aber trotzdem ganz brauchbar, um damit zu arbeiten. Wenn du mir den Fingerabdruck von einem Verdächtigen bringst, kann ich einen Abgleich mit dem Fragment machen. So was taugt zwar vor Gericht einen Scheißdreck, trotzdem könnte es euch wichtige Hinweise für eure Ermittlungen liefern.«
»Okay, halt uns auf dem Laufenden«, grummelte Striker leicht enttäuscht.
Noodles seufzte schwer. »Verdammter Scheißjob«, fluchte er und legte auf.
Fragmente, sann Striker. Verfluchte Hacke. Halb verwischte Fingerspuren halfen ihnen bei ihren Ermittlungen keinen Schritt weiter. Er steckte sein Handy weg und fädelte sich abermals in
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