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Zornesblind

Zornesblind

Titel: Zornesblind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Slater
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Zigarette heraus. »War schlimm. War echt schlimm. Die volle Ladung für Larisa.«
    »Die volle Ladung?«, wiederholte Striker begriffsstutzig. »Hey, Sarj, reden Sie mal Klartext. Machen Sie es nicht so spannend.«
    Der Inder schnaufte betreten. Er zündete sich die Zigarette an, inhalierte tief und blies eine Rauchwolke aus, die sekundenlang das kleine Büro vernebelte. Dann sagte er mit belegter Stimme: »Ihre Eltern und ihre Schwester kamen bei einem Unfall ums Leben.«
    Felicia entfuhr ein verblüffter Laut. »Mein Gott, die Ärmste!«
    »Autounfall. Mehr weiß ich auch nicht. Larisa hat nie darüber gesprochen, aber danach war sie völlig verändert. Sie bat um Urlaub, das war kein Thema für mich. Scheiße, Mann, aber nach dieser furchtbaren Geschichte hatte sie eine Auszeit bitter nötig. Es war eine schlimme, schlimme Zeit für das Mädchen.«
    Eine schlimme Zeit, dachte Striker. Das war gelinde gesagt Untertreibung.
    An einer Wand hingen die Fotos der Mitarbeiterinnen von der Opferhilfe. Larisas Porträt war mit dabei. Dunkelbraune Haare mit einem warmen Rotschimmer. Ein offener Blick. Und ein strahlendes, gewinnendes Lächeln, wie Striker es in Erinnerung hatte.
    Irgendwie vermisste er das jetzt.
    Er wandte sich zum Sarj um, fing dessen Blick auf. »Hatten Sie in letzter Zeit Kontakt mit ihr?«
    Der Sarj blickte versunken auf das Foto, als hätte er vergessen, dass es dort an der Wand hing.
    »Nein«, antwortete er nach einer langen Weile. »Nein, wir hatten keinen Kontakt mehr.« Als Striker nicht weiter nachhakte, schloss der Sarj seufzend seine Schreibtischschublade. Dann fuhr er fort: »Ich will ganz ehrlich mit Ihnen sein, Schiffswrack – und das bleibt jetzt bitte unter uns –, aber Larisa wurde zuletzt ein bisschen … merkwürdig im Umgang mit uns.«
    »Merkwürdig? Wie?«
    »Ist echt nicht einfach zu erklären. Sie nahm alles persönlich. Verdammt persönlich. In gewisser Weise kann ich das ja verstehen – ich meine, der Büroklatsch hier, da kommt man sich manchmal wirklich vor wie im Kindergarten. Aber nach der Tragödie mit ihrer Familie wurde sie zunehmend verschlossener und schottete sich immer mehr ab. Sie kam nicht mehr zu den Dienstbesprechungen. Redete hier im Büro nur noch das Nötigste – und es war keinesfalls so, dass wir nicht alles versucht hätten. Wir haben regelmäßig bei ihr angerufen, ihr Hilfe angeboten, sie sporadisch besucht, um sicherzugehen, dass mit ihr alles okay war.«
    »Und, hat es was genützt?«, wollte Felicia wissen.
    Der Sarj zog stirnrunzelnd an seiner Lucky Strike. »Ob es was genützt hat? Keine Ahnung, verdammt! Je mehr wir uns bemühten, den Kontakt mit ihr zu halten, desto öfter blieb sie einfach weg. Einmal bin ich zu ihr gefahren, weil ich definitiv wusste, dass sie zu Hause ist. Und obwohl sie da war, hat sie mir nicht geöffnet. Ich hab geklopft wie ein Gestörter. Nichts. Es war wirklich sehr, sehr seltsam mit ihr. Danach hab ich eine E-Mail an die Personalabteilung geschickt. Dachte, die können vielleicht was für Larisa tun. Sich einschalten und ihr professionelle Hilfe anbieten oder so.«
    »Und dann?«
    »Und dann war sie plötzlich weg.«
    »Sie hat gekündigt?«, erkundigte sich Felicia.
    »Korrekt. Sie hat gekündigt. Das war so gegen Ende April, kann auch Mai gewesen sein. Ich will mich nicht festlegen, aber es war lange nachdem ihr sozialer Abstieg begann.«
    »Hat Sie Ihnen die Kündigung schriftlich reingereicht?«, wollte Striker wissen.
    »Nein. Sie schickte eine E-Mail, worin sie allen mitteilte, dass es ihr zwar sehr leidtue, aber sie könne den Job nicht mehr machen. Und wissen Sie was? Ich kann es ihr nicht verdenken, nach dem, was sie durchgemacht hat. Die Mädchen bekommen nämlich gar nicht die entsprechende Ausbildung und Unterstützung für den Job, den sie hier leisten müssen.«
    »Ausbildung, wie hab ich das denn zu verstehen?«, fragte Felicia verdutzt.
    »Na, eben wie man mit dem ganzen Kram umzugehen hat, Trauerbewältigung, Traumata und dergleichen.«
    »Ich dachte, hier arbeiten durchweg ausgebildete Psychologinnen«, schob sie nach.
    Der Sarj schüttelte den Kopf. »Von wegen ausgebildete Psychologinnen! Das ist ein weit verbreiteter Irrtum. Okay, seit Kurzem sind es ausschließlich Psychologinnen – hauptsächlich deshalb, weil das Department weiteren Ärger vermeiden will –, aber früher waren es bloß junge Mädchen, an deren Schulter man sich ausweinen konnte. Sie wurden nicht richtig auf ihren Job

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