zorneskalt: Thriller (German Edition)
selbst in einer festen Beziehung glücklich zu werden.
» Das bezweifle ich.« Du kicherst so sehr, dass du kaum weitersprechen kannst. » Ich musste mittendrin abbrechen, um in meine Handtasche zu kotzen.«
» Ist das dein Ernst?«, frage ich mit meiner Große-Schwester-Stimme. Ich bin fürsorglich, Clara. Ich weiß, früher war es andersherum, aber seit geraumer Zeit bin ich diejenige, die auf dich aufpasst.
» Nun, was hätte ich sonst machen sollen? Aufs Klo hätte ich’s nicht mehr geschafft, und auf den Boden wollte ich nicht kotzen, deshalb war die Tasche der nächstbeste Platz. Er hat’s übrigens nicht mal mitbekommen. Aber in der Tasche hat’s schlimm ausgesehen, und die Schlüssel …«
» Stopp! Mehr will ich nicht hören«, sage ich, aber ich lache auch. » Wer sind deine neuen Freunde also, erfahre ich das noch?«
Dein Lachen weicht einem Hüsteln. Ich stelle mir vor, wie auch dein Lächeln verblasst.
» Nur ein paar Leute aus der Schule«, sagst du schließlich.
» Wirklich? Wer? Kenne ich sie?«
» Ich wusste gar nicht, dass ich für alles deine Genehmigung brauche.« Deine Stimmung ist blitzartig umgeschlagen. Und deine Worte treffen mich wie ein Schlag ins Gesicht.
» Himmel, Clara, ich frage doch nur. Ich bin neugierig, das ist alles …« Ich bringe meinen Satz nicht zu Ende.
Beiß nicht an, lass dich nicht ködern.
» Na ja, wenn du schon fragst … Sarah Pitts und Debbie Morton.« Du sprichst ihre Namen langsam aus – aus Effekthascherei, glaube ich.
Diese Namen bringen eine Unmenge Erinnerungen mit sich. Ich werde augenblicklich in die Schule zurückversetzt. Ich kann ihre Hockeyschläger an meinen Schienbeinen spüren, ihre spitzen Ellbogen beim Netball in meinen Rippen. Aber das ist nichts im Vergleich zu dem einen Mal, als Lucy Redfern mich auf dem PGL -Schulausflug nach Shropshire ins Wasser gestoßen hat. Ich sehe mich aus dem See auftauchen, die ganze Klasse lacht mich aus, aber Sarahs Gackern ist das lauteste. Lucy scherzt, ich hätte mich sowieso mal waschen müssen, und ihr Zwillingsbruder James führt das Beifallsklatschen der Jungen an. Du warst dabei, Clara, du hast gesehen, wie mein Gesicht vor Scham dunkelrot anlief.
Andererseits liegt das schon lange zurück. Vielleicht haben sie sich geändert, denke ich.
» Riecht Debbie immer noch nach Frittenbude?« Nach Sarah frage ich nicht einmal.
» Fuck off, Rachel. Du bist echt so selbstgerecht.«
» Clara, das war nur ein Scherz. Du weißt, wie sie mir das letzte Schuljahr ruiniert haben, aber du kennst mich – immer nach vorn schauen, keinen Groll hegen.« Du lässt etwas hören, das wie ein Schnauben klingt. » Warum hast du mich nicht dazu eingeladen?«, füge ich hinzu.
Einen Augenblick lang spricht keine von uns, und dieses Schweigen saugt das Hochgefühl, das ich zu Beginn unseres Gesprächs empfunden habe, aus mir heraus. Ich frage mich unwillkürlich, ob zwischen uns jemals wieder alles in Ordnung kommen wird.
Und dann sagst du etwas, das mich überrascht.
» Wir sind am Freitag wieder verabredet.« Deine Stimme ist jetzt sanfter. Du machst eine Pause, als wägtest du deine Worte ab. » Du kannst ja mitkommen. Anschließend bei mir übernachten. Vielleicht würdest du sogar deine Meinung über sie ändern.«
Ich will schon Nein sagen, aber dann denke ich kurz darüber nach. Als Erstes fällt mir ein, dass Jonny verreist sein wird. Er fliegt nach Afghanistan, um einen Dokumentarfilm zu drehen, und ich werde allein sein. Und dann denke ich: Sarah Pitts war in der Highschool meine Erzfeindin, aber wir werden ja sehen, wer jetzt Oberwasser hat. Ich habe einen Job. Und einen Freund. Sie kann mir nichts mehr anhaben.
» Wieso nicht?«, sagte ich. » Vielleicht amüsiere ich mich sogar.«
Auf den Straßen ist der Verkehr aggressiv, fast bedrohlich. Jungmanager mit dicken Spesenkonten fahren mit ihren Audis und BMW s dicht auf, leuchten meinen Mini aus nächster Nähe aus. Ich blinzle, um klar sehen zu können, aber der Regen auf der Frontscheibe verschlechtert die Sicht ebenso schnell wieder. Zwischendurch frage ich mich, ob es klug war, sich mit dir und Sarah und Debbie zu verabreden. Hätte ich die Wahl, wäre ich zu Hause geblieben und würde mit Jonny bei Thai-Food und einer Flasche Wein auf dem Sofa kuscheln. Ich glaube, du hast geahnt, dass ich dabei war, mir die Sache noch mal zu überlegen. Du hast mich diese Woche dreimal angerufen, um dich zu vergewissern, dass ich wirklich komme, was ungewöhnlich
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