zorneskalt: Thriller (German Edition)
damit ich nachdenken konnte. Jeder Muskel meines Körpers war angespannt, drängte mich dazu, etwas zu tun, etwas zu sagen. Trotzdem tat ich nichts. Ich war wie erstarrt, von einer Macht festgenagelt, die stärker war als ich. Ich hatte keine Stimme, mein Körper war gelähmt. Also saß ich einfach da und sah zu, wie die Ereignisse sich verselbstständigten, bis ich sie nicht mehr aufhalten konnte.
» Ich bin Amber Corrigan dankbar, dass sie heute hergekommen ist«, sagte DCI Gunn. » Wie Sie sich vorstellen können, ist dies eine sehr traumatische Zeit für sie, aber sie wollte alles in ihrer Macht Stehende tun, um uns bei unserer Suche nach Clara zu unterstützen.«
Ich konzentrierte mich auf Amber. Sie war deine Mitbewohnerin, aber ich bezweifle, dass sie dich sehr gut kannte. Und trotzdem war sie sichtlich aufgewühlt und verheult und hatte rote Augen. Später würde ich mir wünschen, wie sie weinen zu können. Aber meine Tränen würden nur zögerlich kommen.
» Ich möchte nur zu Clara sagen …« Sie machte eine Pause und schluckte. Ihre Stimme war ruhig, und sie sprach jedes Wort überdeutlich aus, als hätte sie ihren Text auswendig gelernt. » Clara, wenn du zuhörst, melde dich bitte, wir sind krank vor Sorge. Ich weiß, dass dies nicht deine Art ist, und wir haben Angst, dass etwas Schlimmes passiert sein könnte.« Sie begann zu schluchzen und wischte sich die Tränen, die ihr übers Gesicht liefen, mit dem Handrücken ab. Der Zoom der Kameras, die sie näher heranholten, war lautlos, aber ich nahm ihn trotzdem wahr. » Bitte, Clara, lass uns wissen, wo du bist.«
Ich wollte, sie hätte etwas Originelleres gesagt, irgendetwas, das besser zu dir passte.
DCI Gunn ergriff das Wort. » Ich möchte Amber dafür danken, dass sie heute hierhergekommen ist, und Sie alle bitten, ihre Privatsphäre zu respektieren.«
Alle nickten zustimmend, obwohl jeder als Nächstes versuchen würde, ein Exklusivinterview mit ihr zu bekommen.
Gunn sprach davon, dass sie schon angefangen hatten, Verbindung zu deinen Freunden und Kollegen aufzunehmen. (Würde ich die Letzte sein, weil ich im Adressbuch unter W stand?) Und davon, dass du eine vielversprechende Künstlerin seist, was mich leicht die Augenbrauen hochziehen ließ. Und dann fragte er abschließend: » Hat noch irgendjemand Fragen?«
Mein Kopf war voller Fragen, von denen jede kreischte und brüllte und mich quälte. Aber ich hatte noch immer keine Stimme, und der Boden unter meinen Füßen fühlte sich an, als gäbe er nach. Hätte ich mich bewegt, wäre ich bestimmt in das dunkle Loch gerutscht, das unter mir entstand. Also saß ich starr da, während andere die Hände hoben und ihre Fragen über meinem Kopf durch die Luft schwebten.
Heute frage ich mich, ob an jenem Tag noch etwas anderes im Spiel war; ob ich vielleicht unbewusst erkannte, dass DCI Gunn mir nicht helfen konnte. Irgendwie wusste ich, dass ich schon alle Antworten kannte. Ich musste sie nur noch finden.
2 – Zwei Tage zuvor
Sogar am Telefon höre ich es in deiner Stimme. Der Funke, den ich vergessen hatte, existierte noch. Und dein Lachen, laut und ansteckend, durchzuckt mich wie ein Stromstoß. So waren wir früher, denke ich. Du hast mir gefehlt, Clara. Wir haben mir gefehlt.
» Ehrlich, Rachel«, sagst du, » so gut hab ich mich schon lange nicht mehr amüsiert. Wir waren in diesem Club, der total schäbig und irre komisch war. Gegen Ende hab ich sogar mit ihm geknutscht, wobei er Gott weiß was von mir gedacht haben muss.«
» Ich wollte, ich wäre dabei gewesen«, sage ich, ohne zu erwähnen, dass du mich nicht eingeladen hast, denn das stört mich nicht. Nicht wirklich. Ich verstehe dich. Du musst deinen Freundeskreis erweitern, und das bedeutet, dass wir Dinge einzeln tun. Schließlich hat auch mein Leben sich weiterentwickelt. Der Beruf, der Freund. Und Jonny ist nicht nur irgendein Freund. Er ist alles, was ich je erträumt habe. Seine dunklen Augen blitzen, wenn er lacht, was er oft tut. Wenn er meinen Nacken küsst, läuft ein Kribbeln durch meinen ganzen Körper. Er versteht mich vollkommen. Bloß mit ihm zusammen zu sein beruhigt mich schon. Sorry, wenn das alles ein bisschen abgedroschen klingt, aber ich liebe ihn. Jetzt müssen wir nur noch daran arbeiten, jemanden für dich zu finden.
» Triffst du dich wieder mit ihm?«, frage ich. Ich bin bereits fünf Züge weiter. Ich gehöre allmählich zu den selbstgefälligen Leuten, die jedermann dazu bringen wollen, wie sie
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