Zorngebete
kannst Du von uns verlangen, Allah, dass wir so weise und rein sind? Wir Schwachen? Wie soll ich für einen beten, der auf mich draufgekackt hat, weil er wusste, dass ich auf sein Geld angewiesen bin, in welcher Weise hat mir diese Ungerechtigkeit Gutes getan? Da kann ich lange suchen, nein, davon behalte ich nichts zurück als den unauslöschlichen Gestank von Scheiße auf meiner Haut, der mir jedes Mal wieder in die Nase steigt, wenn es mir besser geht und der mich dazu nötigt, mich ständig mit meinem Lieblingsparfüm einzusprühen, sogar, wenn ich gerade aus dem Bad komme.
Nein, Allah, ich kann nicht für die beten, die mir Böses getan haben, deshalb werde ich es auch nicht tun, denn selbst wenn ich so tun würde, als ob, dann wüsstest Du es ja auch. Und ich habe noch nie so getan als ob, ich sehe keinen Sinn darin, denn Du siehst alles. Manchmal denke ich, ich möchte einen Unfall haben, aber ohne zu sterben. Nur das Gedächtnis verlieren. Und alles vergessen, was zu belastend ist. Was mich nie in Ruhe lässt, was mich daran hindert, wirklich frei zu atmen, und was mich daran hindert zu lachen und dabei alle meine Zähne zu zeigen. Hier folge ich Dir nicht, Allah, es ist mir unmöglich, für sie zu beten. Außerdem würde dafür die Zeit niemals reichen, so zahlreich waren sie. Sie sollen sich zum Teufel scheren.
Eigentlich glaube ich, am meisten wehgetan hat mir, dass ich Dich, Allah, da mit reingezogen habe. Du hast alles mitangesehen, und wenn ich nur daran denke, wird mir schon übel. Ich schließe die Augen vor Scham. Mein Körper hat allerhand Prüfungen überstehen müssen, und ich bin bereit, weitere auf mich zu nehmen, aber diese hier ist unüberwindlich. Also ist es entschieden, ich werde niemals für Miloud, meinen Vater, Abdelkrim, Brouno, den Staubsaugervertreter, Scheich Mansour und die anderen beten. Ich werde einzig und allein für mich beten. Ach, noch nicht einmal das.
Es kotzt mich an, das Leben.
Inzwischen sind zwei Monate vergangen. Ich habe nicht mehr gebetet seither. Diesmal ist Allah sauer auf mich, diesmal. Nicht wegen dem Gefängnis. Weil ich es nicht geschafft habe, Ihn zu sehen, Ihn zu hören, geschweige denn, Ihm zu folgen. Ich habe zu sehr mich selbst gesehen und nicht erkannt, dass da ein Mann war, der mich lieben wollte. Nicht mehr und nicht weniger. So wie es sein soll. Mit Liebe und Gefühlen. Er hat nicht viel Zeit verstreichen lassen, um mir seine Meinung zu sagen, die Bestrafung folgte auf dem Fuße. Noch am selben Abend. Wenn das kein Beweis ist, dass es Ihn gibt …
Verzeih mir, Allah.
Ich weiß, dass Du über mich verärgert bist, und ich bitte Dich um Verzeihung. Ich habe eine Wahl getroffen, und zwar die falsche. Ich bin im Gefängnis. Bis hierher alles logisch. Ich erinnere mich nicht mehr an seinen Blick, an Abdelatif, nur an seine zu großen Schulterpolster. Ich habe ihn nicht in Betracht gezogen an diesem Abend, weil er ein Armer war und ich einen Reichen wollte. Jetzt habe ich weder den Armen noch den Reichen. Ich bin noch nicht einmal sicher, ob ich mich selbst habe. Wenn das Nichts bei der Unendlichkeit anruft, ertönt das Besetztzeichen. Allah, antworte mir, ich flehe Dich an.
Sechs Monate sind vergangen. Ich bin abgemagert. Ich bin gealtert. Ich bin verbittert. Ich rede nicht mehr mit Allah. Er will nicht mehr. Vielleicht sollte ich ein bisschen nachhaken?
Wir haben eine Verrückte in der Zelle, sie heißt Zoubida und ist zänkisch. Sie ist so etwas von gemein, es ist fürchterlich. Ich versuche immer, ihren Blick zu meiden, denn sie ist imstande, einen auch für weniger als das eine reinzuhauen. Eines Abends steht sie vor dem kleinen Klospiegel und drückt sich die Pickel aus. Sie hat Millionen von eitrigen Pusteln auf der Visage, und die sind ziemlich reif. Danach wischt sie mit der Hand den Spiegel ab und fängt wieder von vorne an. Sie hört gar nicht auf damit.
– Weißt du, Zoubida, dass es ein sehr gutes Mittel gegen Pickel im Gesicht gibt, wenn du willst.
– Was?
– Du nimmst eine grüne Paprikaschote, schneidest sie in zwei Hälften und reibst vor dem Schlafengehen dein Gesicht damit ein.
Sie sieht mich an, als ob sie mir jeden Moment in die Fresse hauen will, und kehrt dann zu ihrem Gemetzel zurück.
– Woher weiß du das? fragt mich meine Freundin Bouchra.
– Von Moufhida Ben Abess aus dem Radio. Sie hat gesagt, dass es funktioniert.
– Ah!
Es ist 19 Uhr, wir kommen aus der Kantine, wir setzen uns jede in ihre Ecke und fangen
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