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Zorngebete

Zorngebete

Titel: Zorngebete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Heymann
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an zu plaudern. Vor dem Schlafengehen. Wir erzählen uns, was wir machen wollen, wenn wir wieder draußen sind. In unseren verrücktesten Träumen natürlich. Denn wir wissen genau, was wir machen werden, wenn wir hier rauskommen, und dass wir wiederkommen werden. Ich will vor allem Ruhe haben. Und Schafe. Und keine Männer. Oder vielleicht doch, aber nicht sofort. Weil …
    – Aaahhahhahhaaaahhah! Du Miststück, ich bringe dich um!
    Es ist Zoubida. Einige Mädchen halten sie fest. Es sieht ganz so aus, als sei sie sauer auf mich. Sie hat ein knallrotes Gesicht, tränende Augen und eine blutige Nase. Uuups, ich glaube, sie hat eine schlimme allergische Reaktion. Die Wärterinnen stürzen in die Zelle und halten sie zurück.
    – Du Miststück, das ist deine Schuld.
    – Aber Zoubida, du hättest damit nicht an die Augen kommen dürfen.
    – Das hättest du mir vorher sagen müssen, du dreckige Nutte!
    Zoubida hat sich beruhigt, aber sie hört nicht auf, mir aus der Entfernung zu drohen. Wegen der Wärterinnen halten wir uns zurück. Sie schlagen uns manchmal. Ich bleibe bei meinen Freundinnen, und heimlich glucksen wir.
    – Verdammt, zum Glück hat sie sich nicht am Arsch gekratzt …
    Und da sind wir in lautes Gelächter ausgebrochen. Ich glaube, das war es, worüber sich Zoubida am allermeisten aufgeregt hat.
    Am folgenden Tag habe ich Putzdienst. Ich schrubbe die Klos, meine Freundin Bouchra macht die Duschen sauber. Jemand klopft mir auf die Schulter, ich drehe mich um.
    Was danach geschah, habe ich komplett vergessen. Ich liege in einem Bett in der Gefängnisklinik. Sie hat mich massakriert. Ich hätte mich nicht über sie lustig zu machen, hat sie gesagt. Zwei Zähne hat sie mir ausgeschlagen, diese Nutte. Scheherazade, das ist nun ein für alle Mal vorbei. Meinen Zustand nutze ich, um es mit einem Gebet zu versuchen. Ich sage mir, heute wird Allah es nicht übers Herz bringen, mir nicht zu antworten. Du hast mir gefehlt, Allah. Ich bin im Gefängnis, und wie Du sehen kannst, habe ich zwei Zähne verloren. Weiter nichts Besonderes, ich bin da, und morgen wird man weitersehen. Gute Nacht, Allah.
    Mehr als zweieinhalb Jahre. Nichts Außergewöhnliches. Die Gefangenschaft, der Wahnsinn, die Scheiße … Hier lernt man, dass man nichts mehr zu verlieren hat. Manche finden den Weg zum Glauben zurück, andere kommen endgültig vom Weg ab.
    Tafafilt, das war gar nicht mal so schlecht. Aber das weiß ich erst jetzt.

Im Gefängnis habe ich mich wieder den Tieren zugewandt. Es gab dort immer Katzen im Hof. Mager wie Topmodels. Und misshandelt auch. In meinem Land werden Tiere nicht geliebt. Man sagt immer »Sssppp!« zu ihnen, und dazu verpasst man ihnen einen kräftigen Tritt in den Hintern. Früher habe ich das auch getan, nur ohne den Tritt in den Hintern. Im Hof des Gefängnisses habe ich den Katzen und ihren Babys Wasser gegeben und Essensreste, Brot, manchmal sogar Milch, und wenn es gar nichts gab, Streicheleinheiten. Außerdem war da ein Mädchen, das uns Geschichten über den Propheten erzählte, Friede seiner Seele, und über die Religion. Sie konnte lesen, schreiben und wusste sehr viele Dinge. Sie hat mir einmal eine wunderbare Geschichte erzählt. Von einer Prostituierten, zur Zeit des Propheten, Friede seiner Seele, die von der Arbeit kam und einem Hund begegnete, der auf der Straße dahinvegetierte. Mit ihrem Lohn hatte sie Wasser und Fleisch gekauft, um dem Hund etwas zu fressen zu geben, und danach ging es ihm besser …
    Moses oder Abraham, ich weiß es nicht mehr, jedenfalls einer von beiden, fragte dann Allah, was aus dieser Prostituierten werden würde, und Allah antwortete, dass ihr die Tore des Paradieses für alle Zeiten offenstünden, denn diese gute Tat sei der Beweis für ihr reines Herz.
    Ich schwöre Ihnen, ich habe mich um die Katzen auch schon gekümmert, bevor ich diese Geschichte gehört hatte. Ich wusste nicht, ob sie wahr oder falsch war, aber sie gefiel mir und sie sagte mir etwas. Außerdem bestätigte sie mich. Es wird Ihnen ein bisschen schwachsinnig vorkommen, aber ich habe mich daran geklammert, wie sich ein Neugeborenes an die Brust seiner Mutter klammert. Und vor allem, Allah, wenn dies Deine Worte sind, sage ich mir, dass für mich doch noch nichts verloren ist und dass nur die Leute einfach zu dämlich sind. So dämlich zu denken, dass ich ausschließlich das Böse repräsentiere und dass es, um ins Paradies zu kommen, nicht zählt, wenn man einer durstigen Katze Milch

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