Zorngebete
mehr, das sieht man.
– Auf Wiedersehen, Jbara.
Ich habe Lust zu schreien »Scheherazade«! Aber er weiß es nicht, der Arme, dass ich das nicht mehr bin, Jbara.
– Auf Wiedersehen, Abdelatif.
Und ich schminke mich fertig, ziehe meinen Minirock an, meine Korsage und meinen berühmten Perlenstring. Der mir inzwischen nicht mehr wehtut, weil ich keine Schamhaare mehr habe. Die Perlen drehen sich zwischen meinen Beinen, und das bringt mich sehr schnell in Stimmung. Es ist der Lieblingsstring des Scheichs, ich werde ihm sein Fest bereiten heute Abend. Und ihm ein Maximum abknöpfen. Schließlich muss ich an meine Zukunft denken. Sie ist schnell da, die Zukunft, und ich muss vorsorgen. Zusätzlich etwas auf die hohe Kante legen. Ich muss unbedingt daran denken.
Der Mercedes hupt, ich renne die Treppe hinunter und breche auf in den Abend.
Denken werde ich später. Wenn ich nach Hause komme von meiner Party.
My dream is to fly over the rainbow so high! My dream is to fly over the rainbow so high!
Leise singe ich auf Englisch mit. Wer hätte das gedacht? Nicht einmal ich selbst.
Heute Abend lassen wir es krachen, das spüre ich.
Das Portal aus Gold. Die Rolls Royces aus Gold. Die Villa aus Gold. Und die Schwänze da drin aus Gold. Heute Abend werde ich ein bisschen reicher, ich kriege einen Bonus, so sieht es jedenfalls aus. Aber ich muss aufs Ganze gehen. Sie haben Freunde eingeladen.
Die Party ist in vollem Gange. Nichts wirklich Neues. Überall wird getanzt, auf den Tischen, am Rand des Swimming pools, wird geblasen, das Buffet ist unglaublich, das Orchester außer Rand und Band, die Mädchen ebenfalls. Die Scheichs kommen auf ihre Kosten.
Und dann kippt alles.
Polizisten fallen in die Villa ein, aus jedem Loch kommen sie gekrochen. Wir schießen in alle Richtungen auseinander, wir schreien, wir verstecken uns, aber wir sitzen in der Falle. Alle Ausgänge sind verriegelt. Die Scheichs dagegen bleiben sehr gelassen. Geld wirkt beruhigend. Mein Scheich nimmt den Chef der Gendarmerie beiseite. Sie schütteln einander die Hand. Uff, ich atme auf, wir werden also hier rauskommen. Habe ich geschwitzt! Ich wusste doch, mein Scheich würde mich nicht im Stich lassen, man lässt seine Frau nicht im Stich, selbst wenn es nur die Frau für die Durchreise ist. Das hat er selbst gesagt. Und das schuldet er mir auch, ich habe ihn schließlich alles mit mir machen lassen.
7 Uhr morgens, das Flugzeug mit den Scheichs hebt ab. Ohne uns. Wir, die Nutten, gehen ins Gefängnis. Ich friere.
– Du, Jbara Aït Goumbra, wirst wegen illegaler Prostitution zu drei Jahren Gefängnis verurteilt.
Ich bin eine Strafgefangene. In Taria. Ich bin eine Rechtlose. Das wusste ich zwar schon, aber jetzt ist es amtlich. Wir sind fünfundzwanzig in der Zelle. Es gibt von allem etwas, Verrückte, Bettlerinnen, Junkies und drei oder vier Nette. Ich setze mich in die Ecke zu den Sympathischen und wir erzählen uns Sachen. Wenn man in der Scheiße sitzt, schließt man schnell Freundschaft.
Wir sind alle aus demselben Grund da, aber wir lassen unser Leben ein bisschen außen vor, man sagt nicht alles. Auf jeden Fall nicht, dass man eine ehemalige Hure ist. Eine behauptet sogar von sich, sie sei Jungfrau. Unmöglich. In der ganzen Zelle gibt es keine einzige Jungfrau, das ist sicher. Und selbst wenn eine dabei wäre, dann hätte sie sich jedenfalls vom Leben in den Arsch ficken lassen, und das ist dann doch schon wieder so als ob …
Meine Freundin Latifa konnte einen oder zwei Koranverse, und wenn es nicht so gut lief für sie in den Zeiten des Monte Casino, dann tat sie so, als sei sie fromm. Sie wiederholte die ganze Zeit:
– Bete für den, der ungerecht zu dir war, denn er hat dir Gutes getan. Du kannst es zwar noch nicht wissen, aber er hat dir Gutes getan und er hat sich selbst Schlechtes getan.
Na gut, Allah, dann werde ich also mit allen Kräften für den Scheich beten, aus tiefstem Herzen, ich werde sogar weit über meine Kräfte darum beten, Tag und Nacht, aus ganzer Seele, dass dieser Hurensohn an einer langen schmerzhaften Krankheit stirbt, dass er sein Arschloch nicht mehr unter Kontrolle hat, dass er Tausende von eingewachsenen Haaren unter der Hautoberfläche bekommt, dass er eitrige Ekzeme an seinem Schwanz kriegt und Aids im Herzen. Ich werde für ihn beten, dass ihm Schlechtes widerfährt, so wie mir Schlechtes widerfährt, dass ihm, selbst wenn mir weniger Schlechtes widerfahren würde, Super-Schlechtes widerfährt. Wie
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