Zorngebete
gibt. Die Sache mit den Katzen habe ich übrigens rasch fallengelassen, das ist verlorene Liebesmühe in meinem Land. Ich habe mich dann nur noch um ein Kätzchen gekümmert. Ich habe es
l’mach
genannt, das heißt auf Arabisch Katze …
Ich bin um mindestens zehn Jahre gealtert. Man würde mich für 33 halten. Ich bin aber erst 23. Ich heiße wieder Jbara. Haben Sie schon mal eine Scheherazade ohne Zähne gesehen? Ich auch nicht. Während es für eine Jbara fast schon ein Luxus ist, überhaupt Zähne zu haben.
Ich lächle, so verzweifelt bin ich. Ich lächle, so sehr weiß ich nicht, wohin ich gehen soll. Ich lächle, so sehr kann ich nicht einmal mehr weinen. Rechts oder links? Vor mir ist eine Mauer. Ich entscheide mich für rechts. Sie werden es nicht glauben, ich komme zu einem Bahnhof. Dem Busbahnhof. Ich schwöre, dass ich es nicht wusste. Das ist ein Zeichen.
Von wem? Vom Stadtrat, der den Busbahnhof von Taria rechts neben dem Gefängnis gebaut hat. Nichts weiter.
Ich muss aufhören, überall in meinem Leben Zeichen Allahs zu sehen. Sonst ruhe ich mich nämlich darauf aus und analysiere mein Leben nur noch, statt es zu leben. Auf jeden Fall wollte ich nicht mehr in Taria bleiben, das ist eine hässliche Stadt.
Meinen Koffer habe ich zurückbekommen und 200 Dinar. Seltsam. Das ist nicht viel. Vielleicht haben sie in meiner Bude nur das gefunden. In Wahrheit hatte ich mindestens hundert Mal so viel. Ich nehme den Bus nach Kablat. Ich weiß nicht, warum gerade Kablat, aber ich werde nirgends erwartet, und irgendwo muss ich ja hin. Nur, dass ich nicht genug Geld für die ganze Fahrt habe. Ich werde in Erchidia aussteigen müssen. Ich werde mir etwas einfallen lassen.
Es ist die 15-Minuten-Pause. Die Reisenden gehen ins Café, und ich muss hier aussteigen. In der Hölle. Es ist fürchterlich, dieses Dorf, es gibt nichts. Ich gehe zum Fahrer und frage, ob ich trotzdem bis Kablat mitfahren kann. Er sagt »nein«. Ich mache ihm ein Zeichen. Er fragt »wo?«, ich sage, »hinter den Mülltonnen da drüben«. Er ist erregt. Ich nicht. Wir treffen uns hinter den Mülltonnen da drüben. Ich bin vor ihm da. Ich habe meine
djellaba
schon hochgehoben und meine Unterhose heruntergezogen. Ich höre ihn schon aus zwanzig Metern Entfernung ankommen, so heftig atmet er. Er stößt in mich hinein, und ich reiße mir die Haut rund um die Nägel ab.
Während er mich reitet, gesellt sich ein Esel zu uns. Er stellt sich direkt vor mich hin und guckt zu, wie ich mich vögeln lasse. Damit hatte ich nicht gerechnet. Es ist das erste Mal, dass mich ein Esel ansieht. Ich habe zwar Sauereien gemacht und mir dabei zusehen lassen. Aber vor diesem Esel ist mir das peinlich. Er hat einen erbarmungswürdigen Augenaufschlag, aber das ist nicht der richtige Moment. Ich sage ihm, dass er abhauen soll, aber er rührt sich nicht von der Stelle. Er starrt mich an. Der Typ nagelt mich weiter, ohne darauf zu achten. Was der kürzeste Fick meines Lebens sein sollte, wird der längste und der fürchterlichste. Es ist schrecklich, ein Esel, der dabei zusieht, wie man bestiegen wird. Probieren Sie es aus. Sie werden sehen, es ist kaum auszuhalten.
Am Busbahnhof von Kablat steige ich aus. Alle Busbahnhöfe des Landes gleichen einander, alle machen sie Lust, ganz schnell wieder wegzufahren. Ich habe Hunger. Allah, ich werde bei Dir essen gehen, in der Moschee. Es ist Freitag, es wird jede Menge zu essen geben. Und noch dazu Couscous.
Diesen Koffer kann ich nicht mehr gebrauchen. Ich habe jedenfalls kein Faible mehr für Dior. Ich lasse ihn auf dem Gehsteig stehen. Ich mag keine Abschiede, Hauptsache, es geht schnell. Na gut. Wie bei meinem Baby. Die Hunde werden ihn in Stücke reißen. Soll doch ein anderes Mädchen Dior anbeten. Außerdem soll man im Leben nur Allah anbeten, deshalb ist es sowieso
haram
, Dior anzubeten.
Ich betrete die Moschee. Eine Frau springt mich an, weil eine Haarsträhne aus meinem Tuch herausfällt. Sie sagt mir, dass das
haram
ist, und zieht mir das Tuch über die Stirn. Verdammt, wären wir draußen gewesen, hätte ich ihr eine runtergehauen. Wir sind aber bei Dir, und das hat man zu respektieren. Ich werde nicht direkt zum Essen gehen, sondern vorher immerhin meine Gebete sprechen.
Und ich werde die Gelegenheit nutzen, um meine rituellen Waschungen vorzunehmen, wie es sich gehört, und mich gründlich zu säubern. Ich bin ein bisschen aus der Übung, aber ich werde es genauso machen wie die anderen. Ich werde mich
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