Zorngebete
zustimmend nicke, gehen wir. Ich reibe mich an der Stange, und sie stellen sich vor, es sei ihr Geschlecht. Also liebkose ich die Stange von unten bis oben, und sie begehren mich von oben bis unten. Ich mag das. Wenn ich zu Hause bin, kann ich nicht umhin, mich in meinem rostigen Spiegel zu betrachten, und mir gefällt, was mir da entgegenblickt. Ich kann es nicht mehr verleugnen, dass ich schön bin, ich habe Lust, all diese versäumten Jahre, in denen ich nicht zur Kenntnis genommen wurde, nachzuholen. Ich sehe wirklich umwerfend aus heute Abend. Ich mag das. Das ist fast so gut wie der Raïbi Jamila. Fast. Weil es auf der Welt nichts Besseres gibt. Außer dem, was Sidi Mohamed mit mir gemacht hat. Nein, eher auf dem gleichen Level.
Es klopft an die Tür. Das ist seltsam. Ich frage, wer da ist. Ein Mann antwortet:
– Abdelatif.
Ich mache auf. Ich bin erstaunt. Er ist es wirklich. Aber warum? Ich mag ihn gern, Abdelatif, aber er gehört zu meinem alten Leben. Zu meinem Leben als Dienstmädchen. Als Jbara. Was kann er nur von mir wollen in meinem Leben als Scheherazade?
Er hat einen Anzug an. Er ist frisch rasiert. Er fühlt sich unbehaglich. Er sieht mich an, auch er findet mich schön, das sieht man. Er hat mich immer schön gefunden. Selbst als ich Dienstmädchen war, sah er unter meinem Tuch, dass ich ein schönes Gesicht hatte und schöne Augen, und seine tagtägliche Aufmerksamkeit hat mir sehr viel Selbstvertrauen gegeben. Deshalb mag ich ihn sehr gern, Abdelatif, er ist ein guter Typ, der immer nett zu mir war. Er war der erste, und das werde ich ihm nie vergessen. Nur dass ich jetzt gerade am Ausgehen bin, weil beim Scheich heute eine große Party steigt.
– Guten Abend, Abdelatif.
– Guten Abend, Jbara, wie schön du bist!
Ich muss lachen und frage ihn:
– Was ist los … also, danke … aber was machst du hier?
Er hat eine Tüte in der Hand, er holt etwas heraus und hält es mir hin. Ich wickle das Zeitungspapier ab und er fängt an:
– Ich wollte nicht herkommen, bevor ich es nicht abgezahlt habe. Ich liebe dich und ich will dich heiraten, Jbara. Es ist mir egal, was du machst oder was du gemacht hast. Ich will dich heiraten, und
Inch’Allah
werden wir nach und nach eine Familie gründen.
Während er mit mir spricht, packe ich einen prächtigen goldenen Gürtel aus, das entspricht eurem Verlobungsring. Sehr symbolträchtig, der goldene Gürtel. Der heißt
m’damma
.
– Abdelatif, ich bin eine Nutte. Du verdienst etwas Besseres als mich. Du bist ein anständiger Mensch, und ich bin eine Nutte, das weißt du.
– Für mich bist das nur du, und du bist keine Nutte. Es warst immer nur du, und ich will dich glücklich machen. Außerdem verzeiht Gott denen, die bereuen.
Ich wohne gerade einer unglaublichen Szene meines Lebens bei. Ein Mann sieht mir in die Augen und bittet mich, seine Frau zu werden. Seine Frau. Wer hätte das gedacht? Wenn Miloud mich sehen könnte, er würde seinen Augen nicht trauen. Ich habe es weit gebracht, mein Gott! Man hat gerade »ich liebe dich« zu mir gesagt. Mit Liebe und allem Drum und Dran … Und einem goldenen Gürtel …
Aber es ist Abdelatif, der Gärtner, und ich bin die Favoritin eines Scheichs. Ich kann nicht wieder dahin zurück. Ich kann nicht. Ich vergesse keineswegs, dass ich ein Dienstmädchen war, aber ich will mich lieber nicht daran erinnern. Und Abdelatif erinnert mich zu sehr daran. Ich bin auch nicht verliebt in ihn. Ich weiß noch nicht mal, was das ist, verliebt. Ich kann es nicht sagen, im Grunde genommen. Aber ich glaube nicht.
– Abdelatif, nun hör mal zu, im Augenblick habe ich nicht die geringste Absicht irgendetwas zu bereuen … Und was Gott betrifft, bei dem werde ich mich entschuldigen, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist.
Ich halte ihm den goldenen Gürtel hin. Er nimmt ihn und fügt nichts weiter hinzu. Sein Anzug ist zu groß. Die Schultern sind zu breit, und die Schulterpolster hängen herunter. Der Stoff glänzt, er ist von schlechter Qualität. Einen Augenblick lang sage ich mir, dass ich etwas Besseres verdiene. Das ist schrecklich, ich weiß, aber es kommt mir einfach in den Sinn.
Ich glaube, es ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich etwas von Grund auf Böses tue. Es ist ein sehr böser Gedanke, aber es ist meiner. Ich finde, so etwas zu denken ist schlimmer als Nutte zu sein. Ich hoffe, er hat meinen Gedanken nicht erraten.
Er dreht sich um und geht. Ich bin sehr klar gewesen. Er erhofft sich nichts
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