Zu cool für dich
arbeiteten bei
Flash Camera
, John Miller schenkte bei
Jump Java
Cappuccino aus, Ted stand im
Mayor’s Market
neben der Kasse und verpackte Einkäufe in Tüten.) Obwohl alle vier auf dem College gewesen waren – Ted hatte sogar einen Abschluss –, suchten sie sich vorzugsweise Jobs aus, bei denen man nicht groß nachdenken oder viele Überstunden machen musste. Nach der Arbeit tummelten sie sich in der Musikszene, immer in der Hoffnung, regelmäßige Engagements zu landen, wo sie ein Mal pro Woche auftreten konnten, wie zum Beispiel im
Bendo
. Dort durften sie jetzt jeden Dienstagabend spielen. Da war zwar am wenigsten los, aber immerhin.
Als ich Dexter in Dons Autohandlung kennen gelernt hatte, waren sie gerade erst seit einigen Tagen in der Stadt. Zu dem Zeitpunkt schliefen sie noch im Minibus, den sie im Stadtpark abstellten. Erst später fanden sie das gelbe Haus. Sie würden bleiben, bis sie aus der Stadt gejagt wurden, weil sie Schulden oder dies und das angestellt hatten, was ein wenig gegen das Gesetz verstieß (war alles schon mal vorgekommen). Oder sie würden wieder verschwinden, weil ihnen langweilig wurde. Das Ganze war von vornherein als Provisorium gedacht; sie prahlten damit, dass sie innerhalb einer Stunde alles packen und wieder unterwegs sein konnten.
Vielleicht hielt mich das davon ab, ihm die Große Rede zu halten: der Umstand, dass sein Leben genauso in einer Übergangsphase steckte wie mein eigenes. Und es war gar nicht schlecht so; denn ich wollte ganz bestimmt nicht wie die anderen Mädchen in anderen Städten sein, die schlechte Mitschnitte von
Truth-Squad -Konzerten
hörten und sich dabei vor Sehnsucht nach Dexter Jones verzehrten – geboren in Washington D. C., Sternzeichen Fisch, Leadsänger, Wettfanatiker, kein fester Wohnsitz. Sein Leben war ungefähr so verworren, wie meines klar war, und der Hund schien das einzige Familienmitglied zu sein, an dem er hing. Ich meinerseits würde bald Remy Starr sein, ursprünglich aus Lakeview, jetzt wohnhaft in Stanford, die zwar noch nicht genau wusste, was sie als Hauptfach wählen sollte, aber in Richtung BWL tendierte. Unsere Wege kreuzten sich sowieso nur für einige Wochen. Es war also gar nicht nötig, das übliche Prozedere zu befolgen.
An dem Abend fuhren Chloe, Jess, Lissa und ich gegenneun ins
Bendo
.
Truth Squad
stand schon auf der Bühne und spielte. Viele Leute waren nicht da, aber den wenigen gefiel es. Mir fiel auf, dass das Publikum überwiegend weiblich war; von da an achtete ich sorgfältig darauf, darauf nicht mehr zu achten.
Die Musik war eine Mischung aus Coversongs und eigenen Liedern. Die Coversongs bezeichnete Dexter immer als »notwendiges Übel«; auf Hochzeiten und in Clubs, vor allem zu Beginn eines Sets, hatten sie sich allerdings als nützlich erwiesen, um nicht sofort mit Kronkorken und Zigarettenstummeln beschossen zu werden (auch das war wohl schon vorgekommen). Trotzdem mochten Dexter und Ted, die die Band auf der Highschool zusammen gegründet hatten, ihre Originalkompositionen lieber. Und dazu gehörte eben das berüchtigte
Kartoffel-Opus
, ihr ehrgeizigstes, wichtigstes Projekt.
Als wir uns hinsetzten, beendete die Band gerade den letzten Refrain von
Gimme Three Steps
; die versammelten Mädels klatschten und pfiffen begeistert. Ted und Dexter bequatschten kurz etwas, einige Gitarrenakkorde ertönten probehalber, dann verkündete Dexter: »Jetzt spielen wir einen von unseren eigenen Songs für euch. Ich glaube, ich verspreche nicht zu viel, wenn ich sage, dass er ein Klassiker werden könnte. Leute, hier kommt der
Kartoffel-Song
.«
Die Mädchen jubelten. Eine Rothaarige mit großen Brüsten und breiten Schultern, die ich wiedererkannte, weil ich sie schon oft in der Dauerschlange auf dem Klo im
Bendo
gesehen hatte, schob sich noch näher Richtung Bühne, so dass sie Dexter praktisch zu Füßen stand. Er lächelte sie höflich an.
»Sie hat mich verlassen«,
fing er an,
»ich war schon nah am Herzinfarkt, da traf ich sie wieder am Gemüsestand im Supermarkt ...«
Ein lautes Johlen ertönte. Irgendwer im Publikum fuhr offenbar jetzt schon auf den
Kartoffel-Song
ab. Was für ein Glück, dachte ich. Es gab nämlich noch mindestens ein Dutzend mehr von der Sorte.
»Einst liebte sie mein Filet Mignon, mein Fleischfresser-Erbe«,
sang Dexter weiter.
»Doch plötzlich fand sie es tierisch uncool und absolut herbe. Ihr Leben als Prinzessin auf dem Vegan-Thrönchen fristet sie jetzt
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