Zu cool für dich
Küchensofa im gelben Haus ... das Ganze begann ganz harmlos, mit ein paar Schnappschüssen. Auf den ersten Blick dachte ich, es wären Fotos von Freunden und so. Aber als ich genauer hinschaute, merkte ich, dass es Bilder der
Flash-Camera - Kunden
waren; ähnlich wie die Fotos, die Dexter mir vor einigen Wochen geschickt hatte.
Dexter und Lucas waren bei
Flash Camera
ursprünglich dafür angeheuert worden, vor der Filmentwicklungsmaschine zu hocken, durch ein kleines Loch zu starren, Negative zu sichten, zu markieren und – sofern möglich – optimal auszutarieren, was Farbskala und Belichtung betraf. Man benötigte für den Job keinen Doktortitel, aber ganz blöd durfte man auch nicht sein. Außerdem brauchte man ein gutes Auge; vor allem aber musste man sich über mehrere Stunden hinweg konzentrierenkönnen. Was bedeutete, dass Dexter für diese reizvolle Aufgabe leider nicht infrage kam. Nachdem er das gesamte Filmmaterial eines Traumurlaubs auf Hawaii und zwanzig Wegwerfkameras mit Hochzeitsbildern ruiniert hatte, legte ihm die Managerin von
Flash Camera
diskret nahe sich lieber an die Verkaufstheke zu stellen und Kunden zu bedienen. Das könne er doch sowieso viel besser, weil er ein so reizender Mensch sei. Und weil sie ihn so reizend fand, bezahlte sie ihm auch weiterhin so viel, wie er vorher bekommen hatte, obwohl die Leute im Kundenservice eigentlich weniger verdienten. Weswegen Lucas jetzt bei jeder sich bietenden Gelegenheit rummoserte.
Vorzugsweise an Zahltagen; dann zog er jedes Mal einen Flunsch, steckte seinen Scheck ein und sagte: »Ich habe viel mehr Verantwortung. Du musst nur alphabetisch sortieren können und eins und eins zusammenzählen.«
Und Dexter antwortete jedes Mal: »Schon klar. Aber ich kann eben sehr, sehr gut alphabetisch sortieren.« Dabei rückte er adrett sein Namensschild gerade – wie der absolute Musterangestellte.
Doch nicht mal das Alphabet war seine große Stärke. Dauernd verlegte er Fotos; hauptsächlich deshalb, weil er sich bei der Arbeit zu leicht ablenken ließ, die Rs unter B einräumte oder die Fototaschen unter dem Vornamen des Kunden einordnete, weil er kaum aufs Etikett geschaut hatte. Wäre er mein Angestellter gewesen, hätte ich ihn höchstens Bleistifte spitzen lassen. Und auch das nur unter strenger Aufsicht.
Außer ihrem Lohn konnten Dexter und Lucas nichts Nützliches zum Haushalt beitragen. Ted, der im
Mayor’s
Market
arbeitete, brachte oft Essbares mit nach Hause – zwar nicht mehr das Frischeste oder in leicht beschädig ten Packungen, aber immerhin. Und John Miller staubte bei
Jump Java
oft Kaffee ab (war selber praktisch permanent kaffeehigh). Deswegen begannen Dexter und Lucas irgendwann Abzüge der Fotos mitzubringen, die ihnen aus irgendeinem Grund gefielen.
Aber sie waren
Jungs
und deshalb fing das Ganze natürlich mit Bildern an, die leicht unter der Gürtellinie waren. Allerdings nicht pornografisch, so weit ging es nun auch wieder nicht. Auf dem ersten Foto, das ich an der Wand sah, posierte eine Frau in BH und Slip vor einem Kamin. Sie war nicht besonders hübsch. Außerdem wurde der Gesamteindruck dadurch, dass im Hintergrund deutlich erkennbar ein großer Sack Katzenstreu der Marke SAUBERKÄTZCHEN stand, nicht eben verbessert. Zumindest war die exotische Playboy-Atmosphäre, die Fotograf und Modell wohl kreieren wollten, durch dieses Stylingdetail ziemlich im Eimer.
Im Laufe der Woche kamen immer mehr Fotos dazu, so dass eine Art Collage entstand: Urlaubsfotos, eine Großfamilie in Washington vor dem Obelisken – alle lächelten bis auf eine Tochter, die vor sich hin schmollte; ihr hochgereckter Mittelfinger war unübersehbar. Ein paar weitere Nackedeis, unter anderem ein sehr fetter Mann in schwarzem Tanga, der sich auf einer Leopardenfelldecke räkelte. Keiner dieser Menschen ahnte, dass seine intimsten, persönlichsten Erinnerungen in einem kleinen gelben Haus am Merchant Drive an die Wand geklatscht und als Kunstobjekte für wildfremde Leute ausgestellt wurden.
An dem Tag, als ich Monkey gebadet hatte, brachten Chloe und ich ihn gegen sechs zurück. Dexter war bereits zu Hause, saß im Wohnzimmer vor der Glotze und aß Mandarinen. Anscheinend gab es die bei
Mayor’s Market
gerade im Sonderangebot und Ted bekam außerdem noch Angestellten-Rabatt. Unmengen davon flogen im gelben Haus überall in der Gegend rum. Wie Dons
Gesundheit-garantiert -Dosen
bei uns zu Hause.
Ich stieß die Fliegengittertür auf und
Weitere Kostenlose Bücher