Zu cool für dich
der Bausubstanz eines neuen Staudamms bei uns in der Gegend, wusste ich, dass John Miller mich ansah. Er fragte: »Remy? Du kennst Scarlett?«
»Mein Bruder ist mal mit ihr ausgegangen.« Ich versuchte meine Stimme so beiläufig wie möglich klingen zu lassen. »Ist Jahre her.«
Er streckte die Hand aus, nahm mir die Fernbedienung ab und schaltete auf stumm. Der Staudamm schien eigentlich ganz gut zu halten. Das war zumindest mein Eindruck, während ich auf das stumme Fernsehbild blickte. »Erzähl mir alles«, sagte er. »Sofort.«
Ich warf ihm einen Blick zu.
»Ich meine«, fuhr er rasch fort, »kannst du irgendwas dazu sagen? Egal was?«
Chloe lachte. Ich antwortete achselzuckend: »Die beiden waren zusammen auf der Highschool und im letzten Schuljahr für kurze Zeit liiert. Nichts Ernstes. Chris war damals noch voll der Kiffer und Scarlett einfach zu schlau, um sich wirklich auf ihn und das ganze Chaos einzulassen. Außerdem hatte sie Grace schon.«
Er nickte. Grace war Scarletts Tochter und mittlerweile drei Jahre alt. Scarlett hatte sie noch vorm Schulabschluss gekriegt, was einen kleinen Skandal verursacht hatte. Aber Scarlett schmiss die Highschool nicht, holte während der Sommerferien alles nach, was sie durch die Geburt verpasst hatte, und ging mittlerweile sogar aufs College, während siegleichzeitig die
Jump-Java -Filiale
managte und die schmachtenden Blicke von John Miller ertrug, die er ihr ungefähr zwanzig Stunden pro Woche über die Muffins hinweg zuwarf.
»Spielt Scarlett nicht ein bisschen in einer anderen Liga als du?«, fragte Chloe so wohlmeinend wie mög lich . »Sie hat immerhin schon ein Kind.«
»Ich kann gut mit Kindern«, antwortete er empört. »Grace liebt mich.«
»Grace liebt jeden«, sagte ich. Wie Monkey, dachte ich. Kinder und Hunde. Es ist einfach zu leicht.
»Nein«, beharrte er. »Mich mag sie besonders gern.«
Dexter steckte den Kopf durch die Tür und zeigte mit einem Finger auf John Miller. »Band -Meeting!«
»Band -Meeting«, wiederholte John Miller im Aufstehen. Er sah mich an und sagte: »Falls du mich ein bisschen moralisch unterstützen kannst, Remy, ich meine heute Abend ... irgendwas Nettes über mich sagen oder so, vielleicht? Das wäre echt Klasse.«
»Ich kann nichts versprechen, aber ich werde sehen, was ich tun kann«, antwortete ich.
Das schien ihn ein wenig aufzumuntern; beschwingt ging er in die Küche. Ich stand auf und kramte meinen Autoschlüssel aus meiner Handtasche. »Komm, wir zischen ab«, sagte ich zu Chloe. »Band -Meeting und überhaupt.«
Sie nickte, steckte ihre Zigaretten ein und öffnete die Haustür. »Ich rufe Lissa vom Auto aus an und frage sie, ob sie Lust hat, auch zum Treff zu kommen.«
»Gute Idee.«
Die Tür fiel hinter ihr zu. Dexter kam zu mir rüber. »Das könnte eine wirklich große Sache werden.« Er lä chelte . »Andererseits, vielleicht auch nicht. Vielleicht wird das Ganze eine Riesenpleite.«
»Das ist die richtige Einstellung.«
»Möglicherweise ist es aber auch ein Anfang.« Er fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar, so wie immer, wenn er wegen irgendwas völlig aus dem Häuschen war. »Das Treffen mit diesen Label-Leuten war für
Spinnerbait
praktisch die Eintrittskarte in die größeren Clubs. Wer weiß? Vielleicht spielen wir demnächst in Richmond oder Washington. Möglich wär’s.«
Er stand vor mir und strahlte übers ganze Gesicht. Ich zwang mich zu einem Lächeln. Natürlich waren das prima Neuigkeiten. Außerdem war ich doch immer dieje nige gewesen, die alles möglichst provisorisch und unverbindlich halten wollte. Es wäre wirklich am besten, wenn er seine große Chance bekam und in dem verdreckten weißen Minibus in den Sonnenuntergang fahren würde – mit einer Abgaswolke aus dem defekten Auspuff als letztem Gruß. Irgendwann wäre er nur noch eine Geschichte für mich. Eine Geschichte, die ich erzählte, von dem verrückten Musiker, mit dem ich den Sommer nach der Highschool verbracht hatte. Eine Fußnote der Vergangenheit, so wie Scarlett Thomas für Chris. Ich konnte mich schon reden hören:
Die Typen hatten echt abgedrehte Songs auf Lager. Ein ganzes Kartoffel-Opus!
Absolut. Es war die beste Lösung.
Dexter beugte sich vor, um mich auf die Stirn zu küssen. Dann musterte er mich, legte den Kopf schief und fragte: »Alles okay? Du siehst komisch aus.«
»Vielen Dank«, antwortete ich, »sehr charmant.«
»Nein, ich meine doch bloß, du wirkst irgendwie
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