Zu feindlichen Ufern - [3]
Halt verloren.
Abermals warf sich eine Woge gegen das Holz, drückte das Floß schräg gen Himmel und flutete über die Schiffbrüchigen hinweg. Und wieder stand die Plattform fast senkrecht, sodass Hayden sich unter Aufbietung seiner letzten Kraft an der Kante festkrallte, bis er spürte, wie seine tauben Finger abglitten – schließlich tauchte das Ende, auf dem Hayden lag, ins Meer, sodass er bis zur Taille im Wasser trieb. Als der Druck zu stark wurde, verlor er den Halt und sackte ganz in das grünliche Wasser.
Hayden fiel in den kalten Atlantik. Er konnte sich zwar nicht mehr am Holz festhalten, aber im letzten Moment hatte er sich an die Männer links und rechts von sich geklammert und trat nun wie wild um sich, um wieder an die Oberfläche zu kommen. Endlich konnte er atmen und zog Griffiths mit nach oben. Der junge Aspirant und Smosh konnten schwimmen, und so tauchten auch die beiden gleichzeitig mit Hayden auf. Verzweifelt blickten sie sich um und versuchten dann, das Floß zu erreichen, das ein Dutzend Fuß entfernt trieb.
»Kräfte sparen, Doktor!«, rief Hayden und drehte den Schiffsarzt auf den Rücken. »Beine bewegen, aber bleiben Sie auf dem Rücken!«
Eine Welle brach über ihnen zusammen und drückte sie unter Wasser. Hayden brauchte einen Moment, ehe er wieder Luft zum Atmen hatte, aber er hielt den Doktor immer noch fest, der nach wie vor mit Armen und Beinen strampelte – ohne dadurch viel zu erreichen. Wie durch ein Wunder war das Floß näher herangekommen, sodass Hayden es nach drei kräftigen Schwimmzügen erreichen konnte. Pierre und der Reverend waren bereits wieder an Bord und halfen jetzt, den Doktor an den Schultern auf die Planken zu ziehen. Mit Mühe zogen sie auch Hayden aus dem Wasser.
Sie waren indes nicht die Einzigen, die in die Fluten gestürzt waren. Entlang der Seiten des Floßes versuchten die Männer, wieder auf die Planken zu gelangen. Einige strampelten mit den Beinen. Als Hayden sah, dass Ransome die Kräfte verließen, tauchte er wieder bis zur Hüfte ins Wasser und kämpfte sich bis zu seinem Leutnant vor. Diese Rettungsaktion zehrte an seinen Kräften, doch schließlich drückte Hayden den Leutnant auf die Holzfläche. Allerdings mangelte es ihm jetzt an Kraft, um sich selbst hochzuziehen, und er wäre abgeglitten, wenn ihn nicht mehrere Hände aus dem Meer gezerrt hätten.
Hayden war zu ausgelaugt, um sich richtig festzuhalten, und rechnete damit, dass er bei der nächsten Welle ins Meer gespült würde. »Sir!«, schrie der junge Gould ihm fast ins Ohr. »Drehen Sie sich um, Sir, und halten Sie sich fest! Sonst sind Sie verloren!«
Mithilfe von Gould und Archer gelang es Hayden, sich auf den Planken zu drehen, bis er sich tatsächlich besser festhalten konnte, mit Händen, deren Finger sich nicht mehr bewegen ließen.
»Wie viele haben wir verloren?«, keuchte er.
»Wir sind alle hier, Sir, nur ein oder zwei Franzosen sind abgetrieben. Ich weiß auch nicht wie, Kapitän, aber wir haben es alle zurück aufs Floß geschafft.« Archer brauchte Luft, ehe er weitersprechen konnte. »Aber noch einmal schaffen wir das nicht. Gott bewahre uns.«
Als Hayden den Kopf ein wenig drehte, gewahrte er Smosh neben sich, der stark an der Stirn blutete. »Mr Smosh, Sie sind verletzt!«
Der Reverend nickte nur stumm und blickte starr geradeaus. Die Männer links und rechts von ihm hielten ihn fest, da er dazu nicht mehr in der Lage war.
»Hat das Floß gegen den Kopf bekommen, Kapitän«, krächzte Griffiths. »Ich kümmere mich um ihn, wenn wir an Land sind.«
Doch der Küste waren sie nicht näher gekommen. Langsam wurde das Floß in südliche Richtung gespült, schaffte es jedoch offenbar nie näher ans Land. Zwar schienen die Wellen es dorthin zu drücken, aber irgendeine Unterströmung zog es mit gleicher Kraft hinaus in die See.
»Kapitän?«, rief Archer. »Ich glaube, wir haben die schlimmsten Wellen gemeistert, Sir.«
Hayden schaute sich um und hatte den Eindruck, dass sein Erster Leutnant die Lage richtig eingeschätzt hatte. Die Wellen waren tatsächlich kleiner, und auch wenn sie sich an dem Floß brachen, so fehlte ihnen die schiere Gewalt der offenen See. Trotzdem trieb das Floß zu weit von der Küste entfernt, um es schwimmend bis an Land zu schaffen. Zumal die meisten Schiffbrüchigen keine Kraft mehr hatten und wie besinnungslos auf den Planken lagen. Durch die schaukelnden Bewegungen des Floßes rollten die Männer schlaff von einer Seite auf die
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