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Zu feindlichen Ufern - [3]

Zu feindlichen Ufern - [3]

Titel: Zu feindlichen Ufern - [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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und knieten sich sofort hin. Gleich bei der ersten Woge prallte das Floß so heftig gegen das Wrack, dass beinahe alle ins Meer gestürzt wären, aber dann trugen die Wellen es mit sich fort. Obwohl die Männer wie irrsinnig paddelten, schienen die Bewegungen bei dem Wellengang keine Auswirkungen zu haben. Das Floß wurde hochgedrückt, drehte sich um die eigene Achse und verschwand unter Gischtkronen, ehe es weitertrieb – ein Spielball der Wellen. Längst hatten die Männer ihre Paddel weggeworfen und klammerten sich nun, flach auf die Bohlen gedrückt, an die Taue.
    Hayden verfolgte das Geschehen und erhaschte noch einen Blick auf die vor Angst verzerrten Mienen der Seeleute. Wie zuvor das Beiboot, so trieb auch das Floß in südlicher Richtung ab. Atemlos blickten die Männer auf dem Wrack dem Floß nach, und all ihre Hoffnung begleitete die sieben Matrosen. Das Floß mochte einem guten Dutzend Wellenkämmen getrotzt haben, bis eine riesige Woge über den Köpfen der Männer zusammenschlug. Als die Gischt auseinanderstob, sah Hayden, dass die Männer im Wasser trieben: Das Floß war gekentert. Vielleicht drei Mann gelang es, sich an die Balken zu klammern. Sie kletterten sogar wieder auf das Floß und hielten Ausschau nach ihren Kameraden, aber die waren längst von der See verschluckt worden.
    Das Floß trieb dreihundert Yards weiter, ehe es erneut kenterte. Diesmal blieb nur ein einziger Mann zurück, der sich an das Holz klammerte, das noch übrig geblieben war. Alle anderen waren nicht mehr zu sehen. Der Mann hielt sich auf den Floßresten, die immer weiter fortgespült wurden. Bald konnte niemand mehr das Floß zwischen all den Wellenkronen erkennen. Ob der Mann es nun überlebt hatte oder nicht, vermochte niemand zu sagen.
    Archer suchte Haydens Blick. »Sir, ich fürchte, auch die britische Seemannskunst bringt kein Floß hervor, das diesen Wellen standhalten würde. Uns wäre es wohl nicht anders ergangen.«
    »Ich fürchte, da haben Sie recht, Mr Archer.«
    »Dann bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als auf dem Wrack auszuharren, in der Hoffnung, dass sich der Sturm doch noch legt.«
    »Ja«, antwortete Hayden, »nur dann können wir es wagen, die Flöße zu benutzen. Aber ich habe mir schon den Kopf zermartert, was wir sonst noch tun könnten …«
    »Das haben wir alle, Sir.«
    Die Stille der Verzweiflung senkte sich auf die Schiffbrüchigen. Alle litten unter den Folgen von Hunger und Durst, viele hockten inzwischen teilnahmslos an Deck und zitterten ohne Unterlass. Noch kauerten sie in kleineren Gruppen zusammen, den Rücken gegen den Wind, die Köpfe gesenkt. Andere lagen indes eingerollt an Deck und versuchten, das letzte bisschen Wärme zu erhalten. Viele hatten das Bewusstsein verloren und waren bereits nicht mehr in der Lage, die einfachsten Handgriffe auszuführen, die ihnen womöglich das Leben retteten. Hayden wusste, dass all diese Männer ins Meer gespült würden, sobald das Wrack zerbrach.
    Inzwischen war das Ächzen und Knarren aus dem Schiffsrumpf lauter und bedrohlicher geworden. Einige Matrosen hielten sich schon die Ohren zu. Das Deck verzog sich, wann immer die Wellen durch das offene Heck in den Rumpf strömten. Hayden beobachtete, wie die Beplankung vom Bug bis zu den Resten des Quarterdecks Risse erhielt. Zu seinem Schrecken fand er diesen Anblick sogar faszinierend, was einiges über seinen Geisteszustand aussagte. Auch er war längst, wie alle anderen, am Ende seiner Kräfte und begriff gerade noch, dass seine Wahrnehmung und sein Urteilsvermögen arg eingeschränkt waren.
    Irgendwann im Verlauf der Nachmittagsstunden krachten eine Reihe Brecher gegen die Droits de l’Homme und rissen Teile des oberen Decks fort. Aus den Tiefen des Rumpfs drangen furchtbare Laute zu den Schiffbrüchigen herauf. Das Holz barst wie Kienspäne. In weniger als fünf Minuten brach ein Stück des Bugs weg, wurde über das Riff gespült und zerbarst in mehrere Teile. Als Hayden genauer hinsah, gewahrte er Männer auf diesen Wrackteilen. Sie klammerten sich aneinander, während die Bruchstücke auf dem Riff zerschellten.
    »Zusammenbleiben!«, rief Hayden seinen Leuten zu. »Wo ist der Doktor?«
    »Er hilft dem französischen Schiffsarzt«, sagte Archer. »Sie sind achtern, Sir.«
    Hayden quälte sich aus der sitzenden Position auf die Füße. »Dr. Griffiths!«, rief er in den Wind hinein. Das Knacken im Rumpf verschluckte fast seine Stimme.
    Dann entdeckte er den Doktor und eilte so schnell zu

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