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Zu feindlichen Ufern - [3]

Zu feindlichen Ufern - [3]

Titel: Zu feindlichen Ufern - [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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endgültig am Riff zerbrach und die letzten Matrosen mit in die See riss. Selbst in diesem Sturm waren noch die Schreie der Ertrinkenden zu hören. Der Abschnitt des Unterdecks, auf dem die Briten und die wenigen Franzosen lagen, brachte sie womöglich nicht an Land, aber hier waren sie immer noch besser aufgehoben als auf dem zerschellten Wrack.
    Hoffnung keimte wieder in Hayden auf. Nicht umsonst hatte er den Befehl gegeben, auf diese Plattform zu springen. Denn die Beplankung des Unterdecks war allemal stabiler gefertigt als die notdürftig zusammengebundenen Flöße. Da die Planken schwer waren, bestand die Möglichkeit, dass das Deck den Wellen trotzte. Sie würden es jeden Augenblick erfahren.
    Die See wogte hoch, aufgepeitscht vom Sturm, und gerade in Küstennähe wurden die Wellen steil, brachen sich aneinander und schlugen über den Köpfen der Männer zusammen.
    Die Dünung trug das schwere Stück des Unterdecks in südöstlicher Richtung mit sich fort. Von seiner Position aus konnte Hayden beobachten, wie die langen, unregelmäßigen Wellenkämme auf sie zu rollten. Einige waren harmlos, hoben das Floß lediglich ein wenig an, um es dann wieder in ein Wellental fallen zu lassen. Andere hingegen drückten so stark gegen die Planken, dass sie schräg lagen und die Männer alle Mühe hatten, nicht den Halt zu verlieren. Immer wieder ergossen sich die Gischtkronen auf das Floß und pressten die Männer auf die Planken, sodass kaum einer Luft bekam und alle sich mit letzter Kraft an die Kante des Floßes klammerten. Einmal glaubte Hayden, die Luft nicht länger anhalten zu können, und wollte schon aufgeben, als das Floß wieder nach oben gedrückt wurde. Die übrigen Schiffbrüchigen japsten und gaben halb erstickte Laute von sich.
    »Festhalten!«, rief jemand in das Tosen der See, bis wieder eine Welle über die Männer hinwegspülte.
    Seeleute waren in der Regel kräftige Männer, die jeden Tag harte Arbeit leisteten. Ihre Hände waren rau vom Einholen der Leinen und Taue, und vielleicht war dies der Grund, warum sie alle so lange durchgehalten hatten, wie Hayden sich bewusst machte. Zu seiner Rechten lag Dr. Griffiths, weiter links der junge Aspirant Pierre. Der Bursche war zu Tode verängstigt und zitterte am ganzen Körper.
    »Hake dich bei dem Reverend unter!«, rief er dem Jungen auf Französisch zu, worauf der Junge mit Mühe den rechten Arm bewegte. »Dr. Griffiths, haken Sie sich bei mir unter!«
    Der Schiffsarzt befolgte den Rat. Sein Gesicht hatte eine bläulich-weiße Färbung angenommen, seine Lippen waren blutleer. In all den Jahren auf See hatte Hayden seinen Freund nie so verzweifelt und voller Angst gesehen.
    »Noch ein paar von diesen Wellen«, stammelte Griffiths, »und ich bin weg.«
    »Wir lassen Sie aber nicht fort, Doktor.« Zu Hawthorne gewandt, der rechts vom Doktor lag, rief er: »Halten Sie den Doktor fest, Mr Hawthorne!«
    »Keine Angst, Sir, ich lasse unseren Doktor erst los, wenn wir wieder an Land sind.«
    Griffiths nickte nur, weil er nicht mehr sprechen konnte.
    »Festhalten!«, schallte es wieder über die Köpfe hinweg.
    Das Floß begann, mit einer der steilen, gräulich-grünen Wellenfronten zu steigen. Hayden hatte das Gefühl, dass es an einem Punkt fast senkrecht aufragte, aber das war sicherlich nur Einbildung. Dennoch, diesmal glaubte er, dass es umkippen würde – der Schwerkraft setzte man nichts entgegen. Über ihnen brach der Wellenkamm zusammen, aber er bestand nur aus Schaum und blieb harmlos. Die Welle zog unter ihnen vorbei, und das Floß bewegte sich in die entgegengesetzte Richtung, nur nicht so steil – die Rückseite einer Wellenfront war nie so steil wie die Vorderseite.
    Zwei weitere Wellen zogen vorbei, keine stellte eine wirkliche Gefahr dar. Hayden hörte, wie einige der Männer »dem Herr sei gedankt« murmelten, bis sich jeder erneut gegen das Spiel der Wellen wappnen musste. Gleich der nächste Brecher war so gewaltig, dass Hayden davon überzeugt war, sie würden alle im Meer enden. Doch aus irgendeinem Grund hielt sich ihre Plattform, auch wenn sie sich gedreht hatte. Hayden blickte nun in Richtung Küste, die näher war, als er zu hoffen gewagt hatte.
    Bislang war ihm nicht klar gewesen, wie viel schwieriger es war, sich am unteren Ende des Floßes festhalten zu müssen, wenn es hochgedrückt wurde. Hilflos starrte er in das Wellental. Wäre es ihm nicht gelungen, ein Bein mit dem Bein seines Nachbarn zu verschränken, hätte er gewiss den

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