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Zu feindlichen Ufern - [3]

Zu feindlichen Ufern - [3]

Titel: Zu feindlichen Ufern - [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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ihm, wie es der Zustand des Decks erlaubte.
    »Sollen wir die Flöße einsetzen, Sir?«, fragte Ransome tonlos.
    »Nein, Mr Ransome. Auf den Flößen erwartet uns der sichere Tod. Wir müssen uns an ein Stück des Wracks klammern. Eine letzte Hoffnung, die einzige, die wir haben. Alle sollen sich an den Händen festhalten. Lasst keinen los. Nehmen Sie sich des jungen Franzosen an, Mr Hawthorne. Dieser Bursche hat mir geholfen, Sie alle zu befreien.«
    Hawthorne fand den jungen Pierre und nahm ihn mit auf in den Kreis der britischen Seeleute, dem sich auch die Midshipmen anschlossen.
    »Nun, Pierre«, sagte Hawthorne über den Lärm hinweg, »als Belohnung für deine Hilfe erlauben wir dir, im Kreise der Engländer zu sterben – eine einzigartige Ehre für einen Franzosen. Wir hoffen doch sehr, dass du das zu schätzen weißt.«
    Der Junge verstand kein Wort, und trotz der aussichtslosen Lage lachten Hawthornes Kameraden, was ihnen nur ungläubige Blicke vonseiten der Franzosen einbrachte.
    Unterdessen war weiter vorn wieder Chaos inmitten der französischen Matrosen ausgebrochen: Die Männer drängten zu den Flößen und versuchten, die Konstruktionen ins Wasser zu befördern. Kaum war ein Floß ins Meer geklatscht, als auch schon ein handfester Streit entbrannte, wer als Erster auf die Plattform klettern durfte. Die Männer prügelten aufeinander ein und drängten unkontrolliert zur Reling. Manch einer wurde über die Bordwand gestoßen und stürzte in den Tod. Tatsächlich waren bald alle Flöße im Wasser, aber sie waren rasch überladen, da die Männer blindlings von Bord sprangen, ohne sich Gedanken über die Stabilität des Floßes zu machen.
    Dann bewegte sich ein großes Stück des Quarterdecks, ohne ganz abzubrechen. Einige Männer an achtern beschlossen, sich auf dem Wrackteil treiben zu lassen, und sprangen über den größer werdenden Spalt. Es dauerte indes noch eine halbe Stunde, bis das Heck ganz vom Rumpf wegbrach. Und die ganze Zeit schrien die Franzosen auf diesem Wrackteil und flehten zu Gott. Bald trieb das Heckstück davon, zerbrach jedoch in kleinere Einzelteile. Hayden konnte Lacrosse und dessen Offiziere erkennen, die sich auf den Bauch gelegt hatten und sich wahllos irgendwo festkrallten.
    Treibgut aus den unteren Decks wurde jetzt nach oben gedrückt. Größere Abschnitte der Beplankung wurden aus dem Rumpf gespült – darunter ein ganzes Stück des Unterdecks. Ohne zu zögern sprang Hayden auf. »Alle Mann auf diese Planken!«, rief er seinen Männern zu und zeigte auf das Treibgut. »Alle mir nach! Jetzt!«
    Wahllos packte er den erstbesten Kameraden, der neben ihm stand, und schob ihn in Richtung des Unterdecks. Binnen Sekunden hatte Hawthorne dieses Floß in Beschlag genommen, das vielleicht zwanzig Fuß in der Länge und gut ein Dutzend Fuß in der Breite maß. Doch der Leutnant der Seesoldaten konnte es nicht stabilisieren, sodass Hayden befürchtete, dass es fortgerissen würde. Stattdessen wurde die Fläche zurück in den Rumpf gespült, und diese Chance nutzten die britischen Seeleute und sprangen vom Oberdeck. Einige Franzosen folgten ihnen, darunter auch der junge Pierre.
    »Auf den Bauch legen!«, befahl Hayden. »Jeder hält sich an seinem Nachbarn fest! Mit der anderen Hand Halt an der Kante suchen!« Die Männer befolgten den Ratschlag und verschränkten noch die Beine, sofern dies möglich war.
    Kurz darauf waren sie bereits fünfzig Fuß vom Wrack entfernt, das sich nun rasch in seine Einzelteile auflöste. Die letzten an Bord verbliebenen Schiffbrüchigen wurden ins Meer geschleudert oder klammerten sich an irgendein Holz, das im Wasser trieb.
    Smosh lag unmittelbar neben Hayden und betete leise vor sich hin. Hayden schnappte ein paar Bruchstücke des Gebets auf und hörte, wie der Reverend den Allmächtigen anflehte, sich der Seelen der unwürdigen Sünder anzunehmen. Es war absurd, aber aus einem unerfindlichen Grund wollte Hayden lachen, als er hörte, dass der Geistliche auf ihrer aller Sünden Bezug nahm. »Festhalten, Mr Smosh!«, rief er dem Reverend zu. »Niemand darf jetzt loslassen!« Als eine Welle über ihnen zusammenschlug, hätte Hayden fast die Hand des Geistlichen verloren. Die Finger waren steif, die Hände waren gekrümmt wie Klauen. Immer wieder tauchte das Floß ab, sodass die Männer nach Luft ringen mussten.
    Hayden hörte, wie die Kameraden keuchten, sich verschluckten und zu prusten begannen. Als er den Kopf ein wenig anhob, sah er, wie das Wrack

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