Zu feindlichen Ufern - [3]
andere.
Wir werden alle in diesen Naturgewalten untergehen, wenn wir es nicht bald bis zur Küste schaffen , dachte Hayden, doch seine Lebensgeister waren wieder erwacht. Die Küste lag nicht mehr in der Ferne, sie könnten es schaffen!
»Was haben denn diese Leute vor?«, rief einer der Midshipmen.
Hayden verrenkte sich, um besser sehen zu können. Sein Blick fiel auf den Strand in südlicher Richtung, wo Menschen in einer Traube zusammenstanden. Es mochte ein Dutzend sein. Sie zogen etwas durch die Brandung.
»Haben die ein Boot? Die haben ein Boot!«, rief Hobson.
»Ja, ich glaube, Sie haben recht, Mr Hobson«, erwiderte Hayden.
»Aber schaffen die das auch durch die Brandung?«
Hayden schaute sich um. »Ich schätze, wir wurden hinter ein Riff gespült. Die Wellen brechen dort drüben irgendwo.« Die Wogen, die das Floß nun regelmäßig erfassten, waren bei Weitem nicht mehr so steil wie zuvor, und obwohl sie aufstiegen und über den Männern zusammenbrachen, waren sie nicht mehr so bedrohlich. »Doch, ich denke, man könnte ein Boot durch die Brandung ziehen«, meinte er. »Und wenn diese Männer Fischer sind, dann wird es ihnen auch gelingen.«
»Ich hoffe, es sind Schmuggler, Sir«, sagte Hawthorne.
»Sind Schmuggler bessere Seeleute als Fischer, Mr Hawthorne?«
»Nein, Sir, aber vielleicht haben die Brandy an Bord.«
Einige auf dem Floß brachten ein trockenes Lachen zustande, die meisten indes schüttelten den Kopf. Wiederum andere lagen reglos da. Hayden rechnete mit dem Schlimmsten.
Kurz darauf glitt das Boot ins Meer. Einige Männer stabilisierten es, während die Rudergasten hineinkletterten. Die Männer, die in der Brandung standen, hatten Schwierigkeiten, da die Wellen gegen das Boot drückten. Doch schließlich gaben sie dem Boot den entscheidenden Stoß, worauf die Männer sich sogleich in die Riemen legten. Rasch nahm das Boot Fahrt auf, bis es von der ersten größeren Woge hochgedrückt wurde. Hayden verlor es aus den Augen, als es hinter den Wassermassen verschwand. Augenblicke später war es wieder zu sehen und meisterte die aufgewühlte See mit der Geschicklichkeit eines Wasserläufers. In dem lang gestreckten Wellental wurde das Boot schneller, und die Männer an den Riemen ruderten wie verrückt. Schließlich mussten sie der nächsten Wellenfront trotzen und wurden wieder langsamer. Als die Welle unter dem Boot hindurchgegangen war, trieb es nur noch auf der Stelle. Doch die Männer legten sich weiter ins Zeug. In der Heckducht holten zwei Mann Tauwerk hervor, das hier und da an kleinen Fässern befestigt war, die offenbar als Bojen dienen sollten. Bald trieben diese Fässer südwärts, hinaus aufs Meer. Hayden fragte sich, wie die Männer jetzt noch das Boot steuern wollten, da das Heck gen Süden driftete, aber die Besatzung schien ihr Handwerk zu verstehen.
Eine größere Welle krachte auf das Floß, aber der Kamm barg nur wenig Gefahr – viel Schaum und wenig Druck. Als Hayden sich jedoch einen Überblick an Bord des Floßes verschaffte, ahnte er, dass die meisten Kameraden nicht mehr länger als eine Stunde überleben würden. Nach und nach würde das Meer sie mit sich reißen. Wenn dieses Fischerboot sie nicht bald erreichte, dann würden sie alle sterben – das stand für Hayden fest. Er würde sein Leben verlieren, so dicht vor der Küste des Landes, aus dem seine Mutter stammte. Tage später würden Fischer einen britischen Seeoffizier am Strand finden, der den Uniformrock eines französischen Kapitäns trug.
Er konnte sich nicht mehr lange in dieser schiefen Position halten und legte sich wieder hin, erschöpft und ausgezehrt. Er musste seine Kräfte einteilen, die ihm noch blieben. Als der Schmerz in seinen Muskeln ein wenig nachließ, stützte er sich erneut auf den Ellbogen ab und blickte aufs Wasser. Zunächst konnte er das Boot nirgends entdecken, doch dann sah er es. Es ritt auf einer Welle, der Bug ragte steil in den Himmel. Immer noch waren die Fischer emsig bei der Arbeit und steuerten das kleine Boot durch die feindlich gesinnte See.
»Schaffen die es bis zu uns, Sir?«, wagte Gould zu fragen, doch seine Stimme war heiser und rau.
»Ich glaube, ja. So schnell geben die nicht auf, wie man sieht.«
»Die wissen bestimmt nicht, dass wir Engländer sind.«
»Mag sein – aber Sie wären überrascht, wie manche Menschen sich anstrengen, um anderen zu helfen – selbst wenn es sich um den Feind handelt. Ganz so, als hätte unser Missgeschick uns alle gleich
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