Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zu feindlichen Ufern - [3]

Zu feindlichen Ufern - [3]

Titel: Zu feindlichen Ufern - [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
Vom Netzwerk:
geboren ist. Waren Sie schon dort?«
    »Nein, aber ich wünschte, ich wäre dort gewesen. Übrigens, ich habe deinen Vater noch gar nicht gesehen. Ist er fort?«
    Sie schaute sich vorsichtig um, als wollte sie sicherstellen, dass sie allein waren. »Mein Vater ist geflohen, Monsieur . Sie suchen nach ihm.« Schnell fügte sie hinzu: »Aber Sie dürfen nichts sagen!«
    »Keine Sorge. Ich kann ein Geheimnis sehr gut für mich behalten.«
    »Ich auch, Monsieur . Und Mama auch.« Plötzlich wirkte sie beunruhigt, weil sie von dieser Sache angefangen hatte. »Mein Vater würde mich schlagen, wenn er wüsste, dass ich Ihnen das erzählt habe.«
    »Er wird es nie von mir erfahren. Dein Geheimnis ist sicher bei mir aufgehoben.«
    Das schien sie zu beruhigen. »Ich glaube nicht, dass er zurückkommt. Ich hoffe jedenfalls, dass er wegbleibt. Er ist immer so gemein zu mir und Mama gewesen.«
    »Das tut mir leid.«
    Das Gespräch geriet ins Stocken. Während Hayden überlegte, was er der Kleinen noch erzählen könnte, kam die Mutter des Mädchens herein.
    »Charlotte, der Capitaine muss sich noch ausruhen. Du sollst ihn doch nicht mit deinen Fragen löchern.«
    »Oh, sie löchert mich nicht, Madame. Im Gegenteil, sie ist sehr charmant.«
    »Das sagen alle. Capitaine , Sie müssen entschuldigen, aber ich weiß noch gar nicht, wie Sie heißen.«
    Diese Frage hatte er befürchtet. Wenn er jetzt einen französischen Namen nannte, begab er sich auf gefährliches Terrain.
    »Weiß die Marine denn nicht, dass ich hier bin?«
    »Es waren so viele Schiffbrüchige, Capitaine , die auf die Familien im Dorf und in der ganzen Gegend verteilt wurden. Einige sind inzwischen im Marinehospital in Brest. Andere sind wieder bei ihren Familien. Viele sind zu schwach, um zu reisen.«
    »Und die Anglais ? Was wurde aus ihnen?«
    »Das weiß ich nicht, Capitaine . Vielleicht hat man sie in das Gefängnis in Quimper geschafft oder nach Portanzeau.« Sie neigte den Kopf zur Seite und betrachtete ihn. Sie war hübsch, wie Hayden feststellte. Vielleicht ein bisschen verhärmt, und in all ihren Bewegungen und Gesten lag ein Anflug von Enttäuschung. Die Sommersprossen auf ihrem Nasenrücken verliehen ihr den Anschein von Jugend, doch nie verzogen sich ihre vollen Lippen zu einem Lächeln. »Wie heißen Sie, Capitaine … ?«
    »Mercier. Gil Mercier.«
    »Und Sie waren der Capitaine des Schiffes, das zerschellt ist? Die Droits de l’Homme ?«
    »Nein. Ich war nur auf dem Weg nach Brest mit meinem Freund Capitaine Lacrosse, als wir von zwei britischen Schiffen verfolgt wurden und auf ein Riff liefen.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Die Engländer«, sagte sie mit Schaudern in der Stimme, »sie kennen keine Gnade. So viele haben ihr Leben verloren …«
    Hayden war kurz davor, zu erklären, dass die Franzosen selbst am Schicksal der Droits de l’Homme schuld waren, da sie ihre Position nicht gekannt hatten, hielt es dann aber für klüger, sich zurückzuhalten. Stattdessen sagte er sehr ernst: »Die Engländer sind wie irre Hunde, Madame, wie irre Hunde.«
    An diesem Tag brachte man ihm sowohl das Mittagessen als auch die Abendmahlzeit aufs Zimmer, doch schon am folgenden Tag saß er, recht zittrig, bei der Familie mit am Tisch. Die Zahl der Personen, die zu dem Haushalt gehörten, war überschaubar, da Monsieur Adair fehlte und ein älterer Sohn auf der Militärakademie war – ein vorübergehend sicherer Ort, falls die Jakobiner hinter der Familie Adair her waren. Anhänger der Girondisten lebten in ständiger Angst an Leib und Leben – die fernen Laute der Guillotine, wie Lacrosse es beschrieben hatte, waren Tag und Nacht zu hören.
    Die Dame des Hauses tat so, als führten sie ein ganz normales Leben – um ihrer Tochter Charlotte willen. Hayden erfuhr, dass einige Jahre eine Cousine der Kleinen, ein Mädchen von zwölf Jahren, bei ihnen gelebt habe, aber dann zu anderen Verwandten gezogen sei, worüber Charlotte sehr traurig war. Denn sie verstand nicht, warum die Cousine hatte gehen müssen.
    »Ihre Tante hat sie so vermisst«, erklärte ihre Mutter ihr, »und hatte keine Kinder mehr im Haus, weil alle erwachsen und fortgezogen waren.«
    »Das kann ja sein, Mama, aber Audrey hat so lange bei uns gewohnt. Sie war wie eine Schwester, und ich finde, es war nicht fair, dass sie fortgeschickt wurde. Sie wollte doch gar nicht weg.«
    Madame Adair warf einen Blick in Haydens Richtung – der alles sagte.
    »Vielleicht schicke ich dich für eine Weile zur

Weitere Kostenlose Bücher